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6. Die Initiative eröffnet das erste Stadium des @esetz-
gebungsverfahrens, sie füllt es nicht aus. Alle Maßregeln, die sich
an sie anschließen, bis zur Fassung des Gesetzesbeschlusses, bilden
mit der Initiative zusammen den ersten Abschnitt des Gesetz-
gebungsprozesses. Innerhalb dieses Stadiums behält das Subjekt
der Initiative regelmäßig das Geschick des Gesetzentwurfs inso-
fern in der Hand, als es ihn zurückziehen kann. Nur das
Volksbegehren macht, wie soeben gezeigt, eine Ausnahme; aber die
Reichsregierung, der Reichsrat, der Reichswirtschaftsrat und die Mit-
glieder des Reichstags können ihre Gesetzanträge zurücknehmen °°.
Die Initianten können auch ihre Initiative ergänzen oder ab-
ändern. Allerdings nur in der Form, daß Sie durch einen beim
Reichstage (nicht bei einer Kommission) förmlich einge-
brachten neuen Gesetzentwurf die Einfügung neuer Artikel oder die
Streichung von Artikeln des ersten Entwurfs beantragen; ein solcher
Nachtragsentwurf muß dann vom Reichstage wie der ursprüngliche
Entwurf behandelt werden, insbesondere muß er die vorgeschriebenen
„Lesungen“ durchmachen®. Dagegen können die Initianten nicht
während der Beratungen des Reichstags im Plenum und in den
Kommissionen förmliche Ergänzungs- und Abänderungsanträge stel-
len. Sie können nur entsprechende Anregungen geben — die
vielleicht wieder auf einem Verständigungsverfahren, z. B. zwi-
schen Regierung und Reichsrat besuhen —; die Anregung muß
aber, um Gegenstand einer Beschlußfassung werden zu können,
von Mitgliedern des Reichstags aufgenommen werden.
Ueber die Form, in der sich das weitere Verfahren im Reiehs-
55 Geschäftsordnung des Reichstags’ $ 24. Doch können Gesetzentwürfe
der Reichstagsmitglieder nicht mehr zurückgezogen werden, nachdem eine
Kommission über sie Bericht erstattet hat. Vgl. PERELS, Das autonome
Reichstagsrecht (1903), S. 64.
ss Ein Beispiel bietet die Behandlung des „Räteartikels* der Reichs-
verfassung, der als besonderer Entwurf von der Regierung während der Be-
ratung der Verfassung in der Nationalversammlung eingebracht wurde.
S. Drucks. Nr. 385; Sten. B. S. 1747, 1778.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIX. 4. 33