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Frist verstreichen, so ist das Einsffruchsrecht verwirkt. Der Reichsrat
kann aber auch im Einzelfalle auf sein Recht verzichten. Aus-
drücklich oder stillschweigend, z. B. indem er dem Gesestze seine
„Zustimmung“ erteilt (s. oben S. 510). Auch in einer Dringlichkeits-
erklärung nach Art. 72 liegt ein Verzicht auf den Einspruch.
Spätestens binnen zwei weiteren Wochen muß dem Einspruche auf
demselben Wege eine Begründung nachfolgen. Sie ist nötig, weil
sich der Einspruch unter Umständen nur auf einen Teil des Ge-
setzes bezieht; die Reichsregierung und der Reichstag müssen den
Umfang der „Meinungsverschiedenheit“ kennen, da das ganze,
nunmehr einsetzende Verfahren auf die Beseitigung eben dieser
„Meinungsverschiedenheit“ gerichtet ist®. Ein nicht oder zu spät
begründeter Einspruch hat nicht nur keinen Anspruch auf Be-
achtung, sondern darf nicht beachtet werden®!. Aber der Reichs-
rat braucht nicht schon bei der Einlegung des Einspruchs die
Art und den Umfang seiner Gegnerschaft gegen das Gesetz an-
zugeben. Es genügt, daß er überhaupt „gegen das Gesetz“ Ein-
spruch erhebt, und daß er nachher bei der Begründung erklärt,
warum und wieweit ihm das Gesetz anstößig ist #.
Der..Einsprueh-kann-steh--gegen_ jedes.Gesetz.ohne Rück-
sicht. auf. seinen -Inhalt--rtehten, :gegen alles, was in Form eines
Gesetzes beschlossen wird, also z. B. auch gegen Kriegser-
klärungen und Friedensschlüsse®. Auch der Haushaltsplan, Ab-
gabengesetze und Besoldungsordnungen unterliegen dem Ein-
spruche. Die Bestimmung des Art. 73, Abs. 4, wonach über
sie nur der Reichspräsident einen Volksentscheid veranlassen kann,
sitzung des Reichsrats gesetzt, damit Beschluß gefaßt werde, ob ein Ein-
spruch zu erheben sei oder nicht. Geschäftsordnung $ 28, Abs. 1.
°° Auch ist es wichtig, daß später festgestellt werden kann, ob ein mit
Zweidrittelmehrheit gefaßter Reichstagsbeschluß nach Art. 74, Abs, 3 a. E.
„entgegen dem Einspruch des Reichsrats“ ergeht. PorTscH 8. 86 bei c.
st GIESE S. 221.
e2 POETZSCH 8. 85 f, zu Z. 5b.
es Wegen der anderen Staatsverträge s. oben S. 505 f.
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