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Reichstag verärgert den ganzen Etat ablehnen, so wäre dies nur äußer-
lich betrachtet eine „Einigung“ ;im Grunde wäre es gerade das Zeichen
eines schweren Konflikts. Aber mit den Mitteln des Einspruchsver-
fahrens würde diesem nicht beizukommen sein ®, Die Einigung zwi-
schen Reichsrat und Reichstag kann endlich dadurch herbeigeführt
werden, daß der Reichsrat seinen Einspruch zurückzieht®®. Das ıst
ihm nicht verwehrt; er wird es sogar nach einer Beschluß-
fassung des Reichstags, die „entgegen«< dem Einspruche erfolgt
ist, noch tun dürfen. Hier ist dann ebenso, wie wenn der Reichs-
tag die vom Reichsrate geforderten Aenderungen angenommen hat,
ein Gesetz „verfassungsmäßig“ zustande gekommen; es muß aus-
gefertigt und verkündigt werden. Freilich bleibt dem Reichs-
präsidenten in beiden Fällen sein Recht aus Art. 73, Abs. 1
gewahrt, das Gesetz, so wie es jetzt ist, dem Volksentscheide
zu unterbreiten. Und ebenso ist es möglich, daß nach Art. 72, 73
Abs. 2 gegen das Gesetz mit dem fakultativen Referen-
dum vorgegangen wird®. Es kann also ein vom Reichsrate
fallen gelassener Einspruch von anderer Seite aufgenommen werden.
Wenn sich nun Reichsrat und Reichstag nicht einigen?
Wenn also der Reichstag das beanstandete Gesetz abermals be-
schließt? Oder.wenn er zwar Aenderungen am Gesetze vornimmt,
88 Bei gewöhnlichen Gesetzen kann sich eine solche Situation leicht
ergeben. Der Reichsrat erhebt Einspruch, weil er Aenderungen wünscht.
Der Reichstag verzichtet jetzt lieber auf das ganze Gesetz. Auch das ist
sachlich keine volle Einigung und doch eine „Uebereinstimmung“ im Sinne
des Art. 74, Abs. 3.
®° Die Verfassung sagt (Art. 74, Abs. 3): „Kommt hierbei keine
Uebereinstimmung ... zustande“. Das „hierbei“ bezieht sich grammatisch
auf die „nochmalige Beschlußfassung“. Dem Sinne nach ist es auf das ganze
Einspruchsverfahren zu erstrecken, gilt also auch für den Fall, daß es
infolge Rücknahme des Einspruchs nicht zu einer nochmaligen Beschluß-
fassung kommt.
?° Die Frist des Art. 72 läuft jetzt von dem Tage der Schlußabstimmung
im Einspruchsverfahren. Auch die Bestimmung über die Dringlichkeits-
erklärung ist auf das „neue Gesetz“ ebenso zu beziehen wie auf den
ersten Gesetzesbeschluß.