Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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Augenblicke durch Provokation auf die Entscheidung des Gesamt- 
volkes zur Wehr setzen. 
Wenn ein Gesetz infolge des Einspruchs des Reichsrats ge- 
fallen ist, entweder weil sich Reichsrat und Reichstag über die 
Ablehnung geeinigt haben, oder weil der Reichspräsident keine 
Volksabstimmung angeordnet hat, oder weil die Volksabstimmung 
gegen das Gesetz entschieden hat, so fragt sich, ob die Regierung 
oder ein anderes Organ, das das Recht der Initiative besitzt, das ge- 
scheiterte Gesetz von neuem einbringen darf®®. Die Frage ist ebenso 
zu entscheiden wie die andere, ob und wann ein vom Reichstage 
abgelehnter Gesetzentwurf zum andern Male bei ıhm 
eingebracht werden kann. Die neue Reichsverfassung schweigt 
darüber ebenso wie die bisherige. Man wird daraus schließen 
müssen, daß sie das Initiativreeht nicht habe beschränken wollen. 
Und so steht nichts im Wege, einen aus irgend einem Grunde ge- 
scheiterten Gesetzentwurf dem Reichstage sogar in derselben 
Sitzungsperiode von neuem vorzulegen®. Die in manchen Ver- 
fassungen, wie z. B. in der preußischen (Art. 64, Abs. 2), ent- 
halterie gegenteilige Bestimmung enthält keinen Grundsatz, der 
sich von selbst verstünde.e Man kann also nicht annehmen, dab 
ihn die Reichsverfassung stillschweigend anerkannt habe. 
v1 
Die Ausführungen des vorangehenden Abschnitts haben schon 
gezeigt, daß sich die verschiedenen Mittel, die die Verfassung zur 
Verfügung stellt, um einen Gesetzesbeschluß des Reichstags zu Falle 
zu bringen, in eigenttimlicher Weise ergänzen und durchschlingen 
können, daß unter Umständen, wenn das eine versagt, das andere als 
  
  
® Die Frage wurde angeschnitten, aber nicht beantwortet vom Abg. 
ABLASS in der 17. Sitzg. des, Verfassungsausschusses vom 28. März 1919, 
Prot. S. 4. 
9 Vgl. für das bisherige Recht PERELS, Das autonome Reichstagsrecht 
S. 46 f. — DameItscH, Die Verfassung des Deutschen Reichs S. 173 f. und 
die hier angeführte Aeußerung Bismarck».
	        
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