Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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oder Volk — die Herrschaft über das weitere Verfahren verliert. 
nachdem es den Gesetzesbeschluß erklärt hat. An die Erklä- 
rung ist es gebunden, es kann sie nicht zurücknehmen !%, 
Ausfertigung wie Verkündung sind Recht und Pflicht des 
Reichspräsidenten (Art. 70), und falls dieser verhindert 
ist, seines Vertreters (Art. 51). Für die Unterlassung der ge- 
botenen Verkündung würden der Reichskanzler und die zustän- 
digen Reichsminister verantwortlich sein (Art. 50, 56); sie, aber 
auch der Reichspräsident selbst, würden sich wegen der pflicht- 
widrigen Unterlassung möglicherweise vor dem Staatsgerichtshofe 
zu verantworten haben (Art. 59)1%6. Der Ausfertigung und 
Verkündigung unterliegen alle Gesetze, gleichviel wie sie zu- 
standegekommen sind. Also auch Gesetze, die nicht der Reichs- 
tag, sondern das Volk im Volksentscheide endgültig festgestellt hat. 
1. Ueber das Wesen der Ausfertigung wird man sich 
vermutlich in Zukunft ebenso streiten, wie man sich unter der 
Herrschaft der ehemaligen Reichsverfassung über die‘ Bedeutung 
der kaiserlichen Ausfertigung gestritten hat. Die Frage hängt 
bekanntlich eng zusammen mit dem Problem des richter- 
lichen Prüfungsrechts in bezug auf die Verfassungs- 
mäßigkeit der Gesetze. Ich will und kann diese große Frage 
an dieser Stelle nicht eingehend erörtern!%. Sie ist im Verfas- 
sungsausschusse der Nationalversammlung erörtert worden; es lag 
wohl an der Eile. zu der man den Ausschuß genötigt hatte, daß 
die Verhandlung hier keineswegs auf der Höhe stand, zu der man 
sich angesichts der ungeheuren Tragweite der Angelegenheit 
hätte emporschwingen müssen. Die Ansichten standen sich schroff 
gegenüber. Man ist schließlich zu einer Einigung nicht gelangt, 
  
  
1% Die gegenteilige Behauptung STIER-SoMmLos, a. a. O. 8. 153 ist 
sicher irrig. Richtig GIESE S. 225. 
105 Vgl. Reichsminister PrEuss, 25. Sitzg. des Verfassungsausschusses 
vom 8. April 1919, 8. 37. 
108 Die reichhaltige Literatur ist zusammengestellt bei MEYER- AnSCHÜTZ, 
a. a. O. S. 736 ff.
	        
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