Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

248 Das deulsche Reich und seine einjelnen Glieder. (Oct. 14.) 
leiten geschaffen werden könnten, die bei der augenblicklichen politischen Lage 
besser vermieden würden.“ Ob biese Opporkunilätsrücksicht vorhalten wird, 
muß abgewartet werden. Alz sicher zu betrachten sind Anträge in Betreff 
der Aufrechterhaltung der confessionellen Volksschule, Abschaffung des Cultur- 
examens c. Auch in Bezug auf das Civilstandsgeseb sind Anträge zu er- 
warien. — Ein Theil der Mitglieder der „Linken“, sowie Andere, die wegen 
ihrer Position zum Kirchenregiment sich nach keiner Richtung hin binden 
wollten, haben während der ersten Tage in den Fractionssitzungen der „Mittel- 
partei“ hospitirt. Aber die meisten dieser Mitglieder, welche dan Protestanten- 
verein angehören, haben deshalb das Hospitiren bei der Mittelpartei aufgeben 
müssen, weil man keine Bedenken trug, ihnen zu erklären: daß sie in dieser 
Eigenschaft nicht der vermittelnden Partei angehören könnten. So kam es, 
daß man nun zur Constituirung der „Gruppe der Linken“ schritt und fol- 
gendes Programm beschloß: 1) Gleiche Verechtigung aller auf dem Boden 
der evangelischen Kirche stehenden Glaubensrichtungen, 2) Festhalten an der 
gegebenen Kirchenverfassung und Fortentwicklung derfelben im Sinne des Ge- 
meindeprinrips. 
Die Generalsynode verhandelt über, die Mittheilungen des 
evangelischen Oberkirchenrathes betr. den gegenwärtigen Stand der 
Sonntagsruhe und Sonntagsheiligung in den acht älteren Provinzen. 
Die Berichte ergeben, daß es zwar nicht an Districten fehlt, wo der 
Sonntag noch in Ehren steht, so in Litthauen, Mafuren, Ermland, während 
es am schlechtesten in Neuvorpommern und Rügen steht. Auch in Posen, 
Westphalen, in der Rheinprovinz und Schlesien wird von der Landbevölke- 
rung gesagt, daß sie noch vielfach wenigstens den sonntäglichen Gottesdienst 
besuche. Aber nicht bloß wird in den Städten, in den Fpbrikbeirien und 
wo lebhafter Verkehr und Handel ist, ein zunehmender Verfall der Sonn- 
tagsheiligung constatirt (so besonders in der Rheinprovinz, Westphalen und 
reußen), sondern auch über das Eindringen von Unsikte auf dem Lande 
Klage geführt. Referent Baur betont die Bedentung der Connagsfeier 
in religiöser, sittlicher und sozialer Beziehung. Namentlich in großen Städten, 
speriell in Berlin, sehe man aber den Sonntag entheiligt durch gemeine Lust 
und Gewinnsucht. Dicht an die Zeit des sonntäglichen Gottesdienstes heran 
drängten sich lärmende Schützen-, Turner= und Musfikfeste; landwirthshhaft. 
liche, Gewerbe= und Kunstausstellungen blieben auch ßred Gottes- 
dienstes geöffnet. Die gute Gesellschaft lasse sich durch zwiee tlte 
vom Besuch des Gottesdienstes abhalten. Auch die Wettreunen würden Sonn- 
tags abgehalten. Die Fortb ildungsschulen hielten ihren, nterricht während 
der Kirchzeit. Man sehe des Sonntags öffentlich arbeiten bei der Canali- 
sation, bei Beickenbauten, bei der Errichtung eines Minfsterliatelen Seitens 
der Militärbehörden würden Controlversammlungen oder Märsch e in die 
Sonntag-Vormittagstunden gelegt. Die bestehenden Verordnungen würden 
nicht gehalten. Auch müsse die Gesehgebung dahin ergänzt werden, daß der 
Staat die Abhängigen in ihrer Sonntagsruhe schütze: es müsse den Arbeit- 
gebern gergden verboken werden, Sonntags arbeiten zu lassen. Correferent 
Delins glaubt, daß es im Wefentlichen nur darauf ankommen werde, die 
Bedeutung der S Sonntagsfeier wieder in das Bewußtsein des Volkes und 
des Staates zurückzuführen. Wenn dieß erreicht wäre, dann würden die 
gegenwärtig bestehenden geseplichen dbt zur Aufrechterhaltung der 
Sonntagsfeier. Vhenügen. Einstimmig wurden folgende Anträge an 
nommen: Die Generalsynode spricht die Zuversicht aus, daß ihre Ma- 
lieder, durchdrungen von der hohen Bedeutung der Sonntagsfeier, wie 
für Kirche und Gottesdienst, so für das ganze Leben des Volkes, alle Kraft 
  
  
 
	        
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