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der Kriegsverordnungen; auch dort ist das Ziel, den Gegenstand
selbst — dort das Grundstück — im Interesse der Allgemeinheit
zu gewinnen und einem dritten -— dem Unternehmer — das Eigen-
tum zu verschaffen. Das Verfahren ist aber völlig anders ge-
staltet (Verleihung des Enteignungsrechts. Planfeststellung, Ent-
schädigungsfeststellung, Vollziehung der Enteignung); der Unter-
schied ist im Gegensatz von Friedens- und Kriegswirtschaft be-
gründet: dort in erster Reihe Gründlichkeit und Sicherung des
privaten Rechts, hier Schnelligkeit und Wahrung des Staatsin-
teresses.
Aber der grundsätzlichste Gedanke ist derselbe und daher
gilt auch für die Kriegsverordnungen, was das Ergebnis der bis-
herigen theoretischen Entwicklung ist: die Ablehnung- der Theo-
vie von Zwangskauf und die Auffassung einer Neubegründung des
Eigentums durch den Staat. durch welche alle früheren Rechte
an der Sache hinfällig werden‘. Nun enthalten die Kriegsver-
ordnungen allerdings den Ausdruck, daß das Eigentum auf den
andern Erwerber „übertragen“ wird. Wenn man aber mit einer
wörtlichen , Auslegung Ernst macht, müßte man annehmen, daß
das Eigentum so übertragen wird, wie es sich beim Eigentümer
befindet, also belastet mit allen Rechten. Da aber dies zweifellos
nicht der Fall ist, vielmehr unbelastetes Eigentum entsteht, wäre
die Konstruktion eine Uebertragung des Eigentums von dem —
am Verfahren oft völlig unbeteiligten — Eigentümer auf den
Erwerber wertlos, und es bleibt dabei, daß durch staatlichen Akt
neues Eigentum geschaffen wird.
Am besten wird die Besonderheit des Falles durch einen Ver-
gleich mit der Zwangsvollstreckung klargestellt. Zwar bei der
Jıwangsvollstreckung wegen Geldforderungen liegen die Fälle
> DerRNBURG, Bürgerliches Recht Bd. I 8. 115; OrrTo MAYER, Deutsches
Verwaltungsrecht Bd. II S. 31 ff.; FLeiner, Institutionen des Verwaltungs-
rechts, S. 290 fi, KorrkA, Kommentar zum Knteignungsgesetz, zu $ 1,
RGZ Bd. 61 S. 102.