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Die Enteignung vonGrundeigentuminPreußen
vor und in der Kriegszeit. Aenderung des
Einteignungsverfahrens.
Von
GARRELT IHNEN, Geh. Reg.-Rat und Vortr. Rat beim Rechnungs-
hof des Deutschen Reichs ın Potsdam.
Als das preußische Enteignungsgesetz nach jahrelangen Wehen
endlich im Jahre 1874 zur Entstehung gebracht war, bekannten
sich seine Väter nicht freudig zu ihrem Geisteskinde. Sie hatten
das im Landtag offen ausgesprochene Gefühl, etwas Unvollkommenes
zustandegebracht zu haben, ohne in der Lage zu sein, zur Zeit
etwas besseres an seine Stelle zu setzen. Sie trösteten sich aber
mit der Erwägung, daß jederzeit die bessernde Hand angelegt
werden könne, wenn genügende, aus der Anwendung des Gesetzes
gewonnene Erfahrungen vorliegen würden.
Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes tauchten auch bald
Klagen sowohl über seine materiellrechtlichen Bestimmungen als
über die Verfahrensvorschriften auf. In ersterer Beziehung mehrten
sie sich, als die Praxis der obersten Gerichte, insbesondere auch
des Reichsgerichts, in vielen zweifelhaften Fragen ungewöhnlich
stark schwankte, so daß eine empfindliche Rechtsunsicherheit zu
spüren war. Zahlreiche Stimmen im Parlament und außerhalb
wurden laut, die nach neuen Einzelbestimmungen oder amtlicher
Auslegung der allgemeinen Grundsätze des Gesetzes riefen. Die