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gewissen Abschluß gegeben. Von einem endgültigen Abschlusse
kann man angesichts des unerschöpflichen Schaffens dieses
erst auf der Höhe seiner Schaffenskraft stehenden Forschers frei-
lich nur insoferne sprechen, als mit KELSENs jüngstem Werke
ein bestimmtes Ziel seiner Rechtstheorie, die auf die Ergründung
eines — wenn dieser dem heutigen Juristen allerdings noch nicht
evidente Pleonasmus gestattet ist — „einheitlichen“ und.
„reinen“ Rechtssystems hinausläuft, erreicht ist: Nach
der nunmehr vollzogenen actio finium regundorum des Rechts-
phänomens kann nämlich KELSENs weitere Rechtsforschung nur
gewissermaßen einer Intensivierung der Rechtstheorie, einer tiefer
und in die Tiefe greifenden Durchhellung des bisher schon in
seinen Umrissen geklärten, in seiner „Einheit und Reinheit“ fest-
stehenden Rechtssystemes dienen.
KeELSENs „Hauptprobleme“* haben, geleitet von dem
Drange nach Reinheit der Rechtstheorie, zugleich mit deren Rei-
nigung von den überwuchernden metajuristischen Elementen, zu
einer ungeahnten Verengung des Gebietes des Rechtlichen, zu
einer verhältnismäßig weit getriebenen Isolierung der rechtlichen
Erscheinungen geführt. Das „Souveränitätsproblem“ stellt
erstmals den Einheitsbezug zwischen diesen isolierten
Rechtserscheinungen her. Haben die „Hauptprobleme“
in dem Drange, Rechtsfremdes aus dem Rechtsbereiche zu elimi-
nieren, insoferne übers Ziel geschossen, als sie z. B. sogar der
Gesetzgebung die Qualität einer Staats- und somit Rechtsfunktion
bestritten, so wird im „Souveränitätsproblem“ nicht nur die recht-
liche Relevanz aller staatsrechtlichen Erscheinungen hinauf bis
zur Verfassung anerkannt, sondern die Reihe der Rechtserschei-
nungen durch Einbeziehung des Völkerrechtes in das zugleich
vielgestaltige und einheitliche Rechtssystem nach obenhin erweitert.
Erst diese Erweiterung läßt das Rechtsgebäude KELSENs, das in-
folge der ursprünglichen Verengung des Rechtlichen den Anschein
einer gewissen Primitivität angenommen hatte, im Lichte einer