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lich der überragenden einseitigen Parlamentsberrschaft, muß er
sich mit einer gewissen innern Notwendigkeit gerade in der
Republik entwiekeln, da hier von Haus aus ein Gegengewicht
in der Gestalt eines vom Parlamente unabhängigen, kraft ur-
sprünglichen eigenen Rechtes herrschenden, wenn auch in seiner
„der echte Parlamentarismus setzt zwei einander wesentlich ebenbürtige
höchste Staatsorgane voraus, unterscheidet sich jedoch vom Dualismus da-
durch, daß sie nicht in unverbundener Gegensätzlichkeit nebeneinander
dastehen, sondern daß die parlamentarische Regierung das bewegliche
Bindeglied zwischen ihnen bildet“. Es handelt sich hier wohl mehr um
einen Streit über Worte. In der Sache selbst besteht jedenfalls Einver-
ständnis darüber, wie der Parlamentarismus beschaffen sein sollte, um
nicht schädlich zu wirken. Diesen Parlamentarismus mag man immer-
hin als den wahren, echten und den andern als entarteten, un-
echten Parlamentarismus bezeichnen. Zu bedenken bleibt freilich, daß
ein Zustand des Gleichgewichtes zweier an sich gleich starker und eben-
bürtiger Kräfte, dieısich mehr oder weniger feindlich gegenüberstehen, nie-
mals ein Dauerzustand, sondern immer nur ein Durchgangsstadium sein
kann, aus welchem schließlich die eine der beiden Kräfte als die über-
wiegende hervorgeht. Deshalb wird der wahre Parlamentarismus im REDS-
LOBschen Sinne immer nur ein schwer erreichbares Ideal, und wenn er ein-
mal verwirklicht wird, dann nur von vorübergehender Dauer sein (s. auch
BERGSTRÄSSER im Handbuch der Politik I. Bd. S. 332). Nicht mit Unrecht
lehnen deshalb auch R. ThomA im Arch. des öffentl. Rechts Bd. 40 S. 236
und ADOLF MENZEL in der Zeitschr. f. öffentl. Recht Bd. 2 S. 441 die
REDSLOBsche Unterscheidung ab: „Es hat keinen Sinn, eine dieser Ge-
staltungen als den echten Parlamentarismus zu bezeichnen, weil er, vom
Standpunkte des Verfassers betrachtet, erfreulichere Ergebnisse zeitigt, alle
anderen als den unechten, wie dies REpsLoB tut“ (THoMmA), und: „Es geht
nicht an, eine bestimmte politische Gestaltung nur deshalb ungünstig zu
beurteilen, weil sie einem Typus nicht entspricht, der Jemandem als Ideal
vorschwebt“ (MENnZEL). So sagt auch G. JELLINEK, Allg. Staatslehre
S. 688: „In dem Verhältnisse der beiden Organe (Monarch und Parlament)
zueinander sind a priori drei politische Möglichkeiten gegeben: Vorherr-
schaft des Monarchen, Vorherrschaft des Parlamentes, Gleichgewicht
beider. Der letzte Fall ist der politisch unwahrscheinlichste, weil die
sozialen Machtverhältnisse, welche die Grundlage der politischen bilden,
sehr selten und dann sicherlich höchstens vorübergehend so liegen,
daß ein völliges Gleichgewicht zweier konstanter politischer Machtfaktoren
möglich ist.“