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aber schließlich der maßgebende Einfluß der Volksvertretung auf
die Bildung der obersten Regierungsorgane zur vollen Parlaments-
herrschaft über den Staat ausweitet, so gehört dies nicht zum
Wesen der parlamentarisehen Regierung im wahren Sirine, sondern
ist eine, wenn auch schwer abzuwendende Entartung des par-
lamentarischen Systems, gegen welche nach entsprechenden Heil-
mitteln oder Gegengewichten gesucht werden muß. Wir kommen
hiermit zur Frage nach den Wirkungen des Parlamentarismus.
II. Die Wirkungen des parlamentarischen Systems.
$ 4. Die „parlamentarische Idee“, der Gedanke der Teilnahme
der Regierten an der Regierung (s. oben S. 268), ist demokratischen
Ursprungs: das Staatsvolk will, da, wo es nicht selbst unmittelbar
die Herrschaft ausübt, nicht bloß Gegenstand der Regierung sein,
sondern wenigstens einen gewissen Einfluß haben auf die Art, in
der, und die Normen, nach denen es beherrscht wird; es will
mitwirken an der obersten Leitung des Staates, bei dieser vertreten
sein. „Dieser Gedanke ist so alt wie die europäische Kultur, und
wird sich behaupten, solange diese besteht* (v. BLUME a. a. 0.
S. 339). Er verwirklicht sich nicht bloß im staatlichen Leben,
sondern auch in den Gemeinden und anderen öffentlichrechtlichen
Körperschaften, er bricht sich Bahn auch in den genossenschaft-
lichen und privaten Einzelunternehmungen mit zahlreichen Beamten
und Arbeitern (Betriebsräte). Die Frage ist nur, wieweit diese
Mitwirkung der „Regierten“ gehen darf, welche Rechte man ihnen
einräumen kann, ohne den Bestand und Auntwickelung des Ganzen
zu schädigen und zu gefährden.
Zunächst ist es klar, daß in allen größeren Staaten regel-
mäßig nicht das Volk in seiner Gesamtheit an der Regierung mit-
wirken kann. Nur ausnahmsweise und über ganz besonders wich-
tige Fragen kann man ihm seinen Willen durch Urabstimmung
kund geben lassen. Zur Teilnahme an der laufenden Staatsleitung
muß es sich eine Vertretung schaffen, das Parlament. Die dem