Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 41 (41)

— 318 — 
dies mit wahrer Demokratie nichts mehr zu tun hat, um so zahl- 
reicher erheben sich sowohl ın der Rechtswissenschaft wie im 
praktischen Staatsleben die Gegner des parlamentarischen Systems, 
und um so größer wird die Unzufriedenheit mit den Parlamenten 
und das Mißtrauen in ihre Tätigkeit auch in der öffentlichen 
Meinung. v. BLUME im Handbuch der Politik S. 343 findet die 
Ursachen für dieses Sinken des Ansehens der Parlamente, abge- 
sehen von der allgemeinen Erkenntnis, daß die Leistungsfähigkeit 
des Parlamentarismus überhaupt ihre Grenzen hat, in verschiedenen 
Umständen. 
Zunächst in dem Aufschwunge des Zeitungswesens. Früher 
sei das Parlament die Stelle gewesen, an der „die öffentliche Meinung“ 
sich Geltung verschafft habe oder auch erzeugt worden sei. Mehr und 
mehr habe diese Aufgabe heute die Zeitung übernommen. Diese sei zum 
eigentlichen Sprachrohr für Publikum, Regierung und Parteien geworden; 
auch die im Parlament gehaltenen Reden wirkten nur durch die Zeitung 
und so, wie sie die Zeitung bringe. Die Zeitungskonzentration schaffe 
eine geistige Macht, die mit Regierung und Parlament in Wettbewerb 
trete und zu einer Nebenregierung der Zeitungsbeherrscher führen könne 
(man denke an die Northcliff-Presse!). 
Eine weitere Gefahr drohe dem Parlament aus dem Parteiwesen. 
Da die Partei durch ihre Führer regiere, so verschiebe sich der Schwer- 
punkt der Macht aus dem Parlamente heraus in die Parteiorganisation ; 
die maßgebenden Beratungen und Abstimmungen finden nicht mehr im- 
Parlamente, sondern in der Partei oder in den Verhandlungen verbün- 
deter Parteien statt. „Das Parlament wird Fassade“, seine Redeschlachten 
werden „Theater“ und in ihrer wahren Bedeutung schließlich auch von 
der Menge erkannt. Die Einführung der Verhältniswahl habe die Macht 
der „Parteimaschine“ noch weiter gesteigert und das Interesse der Wähler- 
schaft an den Persönlichkeiten und damit am Parlamente selber abge- 
stumpft. Das Parlament sei „denaturiert“, und das Volk sei parlaments- 
müde geworden. . 
Die dritte und größte Gefahr für den Parlamentarismus ergebe sich 
endlich aus der „Verstaatlichung“ des sozialen Lebens und dem 
daraus folgenden Wachstum der Staatstätigkeit. Dies bedeute eine Vermeh- 
rung und Steigerung der Aufgaben des Staates und somit auch der Parlamente, 
denen diese nicht mehr gewachsen seien, besonders nicht in Hinsicht 
auf die Gesetzgebung, die je länger je mehr verwaltungstechnisches, volks- 
wirtschaftliches und juristisches Wissen und Können erfordere. Je breiter 
aber die Volksschichten seien, aus denen das Parlament entnommen wird,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.