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lehre 2. Aufl. S. 530, 540). Zu seinem Wesen gehört, daß es
niemals der Befeblsgewalt eines andern höheren Organes unter-
stellt ist. In der Monarchie ist dieses höchste Organ in der Per-
son des Monarchen ohne weiteres gegeben. In der Republik, wo
alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, ist das höchste Organ das
souveräne Volk selbst. Es kann aber seine Macht nur durch
Wahlen oder Urabstimmung unmittelbar ausüben ”°, und auch dies
geschieht und kann, besonders in größeren Staaten, nur ausnahnıs-
weise geschehen. Für die regelmäßige Aeußerung seines Willens
muß sich das Volk eine Vertretung in der Gestalt des Parlamentes
schaffen. Damit überträgt es aber seine Souveränität noch nicht
auf dieses Parlament; aus der Souveränität des Volkes folgt noch
nicht ohne weiteres die Souveränität des Parlamentes als Vertreter
des Volkswillens. Vielmehr geht die Machtbefugnis des Parla-
mentes nur soweit, als es in den Zwecken dieses Staatsorganes —
Gesetzgebung und Kontrolle der Regierung — liegt. Außer und
neben dem Parlamente will aber das Volk ein nominelles Ober-
haupt haben, das den Staat nach außen vertritt und nach innen
” Auf unmittelbare Demokratie deutet auch Art. 1 Abs. 2 der neuen
deutschen Reichsverfassung hin: „Die Staatsgewalt geht vom Volke aus,
wie die Einleitung: „das deutsche Volk, einig in seinen Stämmen usw. hat
sich diese Verfassung gegeben‘. Dem entspricht aber nicht die Ver-
fassung im übrigen; denn ihr Schluß (Art. 181) lautet: „Das deutsche
Volk hat durch seine Nationalversammlung diese Verfassung be-
schlossen und verabschiedet.“ Dazu sagt NawıAskYa, a. O. S.33: „Es ist
gewiß ein Zufall, aber doch bezeichnend, daß die Einleitung, die sog.
Präambel, keinen Teil des Gesetztextes bildet, während der Schluß in einem
eigenen Artikel steht, also in das Gesetz aufgenommen ist.“ Dementsprechend
habe auch die Verfassung nicht ihre letzte Weihe durch die Volksabstim-
mung erhalten. Charakteristisch sei auch, daß unter den in der Verfassung
in besonderen Abschnitten herausgehobenen Reichsorganen (Reichstag, Reichs-
präsident und Reichsregierung, Reichsrat) und Reichsfunktionen (Gesetz-
gebung, Verwaltung, Rechtspflege) das Volk keine Erwähnung findet.
„Offenbar sei ihm eine ausschlaggebende beherrschende Rolle in dem Auf-
bau des ganzen politischen Systems nicht zugedacht, sondern nur die Auf-
gabe der Mitwirkung, der Remedur, des Ventiles eingeräumt“ (S. 34).