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von sozialdemokratischer Seite geltend gemacht wurde”*. Vor
allem aber steht dahinter die dem Parlamentarismus von Haus
aus innewohnende Tendenz, den Staat allein zu beherrschen, kein
wirkliches Staatsoberhaupt neben sich zu dulden, sondern darin
nur ein gefügiges Werkzeug zur Erreichung parteipolitischer Ziele
zu haben. Jene Befürchtung ist aber ebenso grundlos, wie die
Herrschsucht des Parlamentes undemokratisch ist. Dervom ganzen
Volke auf bestimmte Zeit gewählte republikanische Präsident ist,
selbst wenn er, wie der Präsident der Vereinigten Staaten, mit
fast königlicher Macht ausgestattet wäre, doch nie die „den Staat
in Bewegung setzende und erhaltende höchste Gewalt“, also nie
ein Monarch. Denn über ihm steht als höchstes Staatsorgan
innmer das souveräne Volk, das ihn zur Verantwortung ziehen und
gegebenenfalls ebenso wieder abberufen kann, wie es ihn zu seiner
Stellung erhoben hat. Und gerade hierin liegt wahre Demokratie,
nicht aber in der oligarchischen Beherrschung des Staates durch
”4* So wird auch im Berichte des Ausschusses der sächsischen Volks-
kammer über den Entwurf der neuen sächs. Verfassung an vielen Stellen
mit „demokratischen Grundsätzen“ operiert, wo solche gar nicht in Frage
kommen, insbesondere hinsichtlich der im Regierungsentwurfe in Anspruch
genommenen Auflösung des Landtages durch das Gesamtministerium als
oberste Staatsbehörde: „Es widerspreche demokratischen Grundsätzen, wenn
das Gesamtministerium, das der Landtag gewissermaßen als seinen Vertrauens-
ausschuß erst geschaffen habe, nunmehr den Landtag, seinen Schöpfer, nach
Hause schicken dürfe“, heißt es im Berichte S. 9. Das hat aber mit Demo-
kratie gar nichts zu tun, sondern ist nur eine Frage der richtigen Macht-
verteilung zwischen Regierung und Parlament. Um so weniger könnte das
Auflösungsrecht einem Staatspräsidenten vorenthalten werden, dem sein
Amt nicht vom Parlamente, sondern unmittelbar vom Volke übertragen
worden ist. — Mit besonderer Energie tritt O. KOELLREUTTER a. a. 0. 8.13
für das selbständige Auflösungsrecht des Staatspräsidenten ein: „Die Regie-
rung im demokratischen Staat muß die Möglichkeit haben, bei Konflikten
mit dem Parlament ihre eigene Meinung selbständig dem Volke zur Ent-
scheidung unterbreiten zu können. Hat die Regierung diese Möglichkeit
nicht, muß sie bei jedem Konflikt mit dem Parlamente ohne weiteres zurück-
weichen, so setzt sich das Parlament an die Stelle des Volkes, ohne daß
die Möglichkeit der Nachprüfung besteht, ob der Wille des Parlamentes
nun auch wirklich den Willen des Volkes widerspiegelt.“