Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 41 (41)

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noch in die Bundesverfassung einzuführen ®°. Das Alles beweist 
freilich noch nicht, wie sich Volksentscheid und Volksbegehren 
in den größeren Verhältnissen des Deutschen Reiches und seiner 
Gliedstaaten bewähren werden, das bleibt noch abzuwarten. 
Beide Einrichtungen sind aber dazu bestimmt und auch nötig, 
um der Uebermacht des verfassungsmäßig begründeten Parlamen- 
tarismus gewisse Grenzen zu setzen. Sie bedeuten im Gegensatze 
zu der Pseudodemokratie dieses Regierungssystems die Rückkehr 
zur wahren, unmittelbaren Demokratie, die dauernde Stellung des 
Parlamentes unter die Kontrolle des Volkes und damit erst die 
Verwirklichung des demokratischen Staatsgedankens®!. Ob und 
in welchem Maße das deutsche Volk hierzu schon politisch reif 
ist, wird sich zunächst allerdings noch zeigen müssen. Ein wich- 
tiges Mittel zu seiner politischen Erziehung, zur Erweckung des 
allgemeinen Interesses für die großen Fragen des Staatslebens 
80 S, die Literatur hierzu bei WOELKER, Sächs. Verf. S. 81.— Bezeichnend 
ist, daß selbst ein schweizerischer Demokrat, CURTI, einer der eifrigsten 
Verfechter des Referendums, in seiner Schrift „Die Resultate des schweize- 
rischen Referendums“ (1911) S. 71 ausspricht: „Ich bin überzeugt, daß 
dasReferendum nur wenig Gutes, was wir wollen, gehindert, wohl aber schon 
dadurch, daß es warnend vor uns stand, manches Böse verhütet hat. Ich 
möchte sagen, daß es die Demokratie trotz möglicher rückläufiger Bewe- 
gung nicht zum Stillstand verurteile, sondern dem Fortschritt selbst 
Stetigkeit gebe.“ 
si S. auch TRIEPEL a. a. O, 8. 500: „Die Verfassung macht das Volk 
zum Kontrollorgane gegenüber dem Reichstage. Das Referendum und die 
Volksinitiative sind die von der Verfassung geschaffenen Gegengewichte 
gegen die sonst erdrückende Machtstellung des Parlamentes. Daß eine 
konstituierende, mit Allgewalt ausgestattete Nationalversammlung, deren 
Majoritätsparteien während der ganzen Dauer der Verhandlungen nichts 
mehr als die dauernde Festlegung des parlamentarischen Regierungssystems 
am Herzen lag, gleichwohl jenes Gegengewicht gegen den Parlamentaris- 
mus in der Verfassung angebracht hat, ist interessant ünd könnte zu aller- 
hand politischen und psychologischen Betrachtungen Anlaß bieten.“ Es 
ist m. E. aber doch nichts Anderes, als der Ausdruck eines durchaus be- 
rechtigten Mißtrauens gegen die in der Verfassung begründete Parlaments- 
herrschaft und eines richtigen demokratischen Empfindens, das deren Ein- 
schränkung zugunsten der Rechte des Volkes unbedingt erfordert.
	        
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