Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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Behauptung stützen, daß in der revolutionären Zeit die in der schlüs- 
sigen Handlung liegende Willenserklärung der gesetzgebenden Gewalt 
trotz ihrer Formlosigkeit Gesetz sein konnte. Ein so weitgehendes 
revolutionäres Recht ist in Braunschweig von den revolutionären Ge- 
walten und der erstmalig gewählten Landesversammlung offenbar nie 
beansprucht worden. Im Gegenteil ist durch das Gesetz zur Aen- 
derung der Neuen Landschaftsordnung vom 20. Juni 1919 in $3 aus- 
drücklich bestimmt worden, daß eine Verkündung in der Gesetz- und 
Verordnungssammlung erfolgen müsse. Eine Aufhebung durch schlüs- 
sige Handlung kann also nicht in Frage kommen. Es bleibt nur die 
Möglichkeit, daß das Gesetz vom 15. Nov. 1918 durch $ 3 der vor- 
läufigen Verfassung vom 1. März 1919 unmittelbar abgeändert worden 
ist. Stünden beide Gesetze miteinander in Widerspruch, so würde der 
allgemein geltende Rechtssatz: lex posterior derogat priori Anwendung 
finden. Dieser Gedanke spielt auch verschleiert in die Ausführungen 
der Begründung hinein. Es wird gesagt, mit der Stellung einer kon- 
stituierenden Nationalversammlung sei eine zeitliche Beschränkung ihrer 
Funktionen nicht vereinbar. Wäre dieser Satz richtig und wäre die 
Braunschweigische Landesversammlung wirklich eine konstituierende 
Nationalversammlung gewesen, so würde man folgern können, daß die 
spätere Bestimmung die frühere abgeändert habe. Beide Voraus- 
setzungen sind indessen nicht gegeben. 
Die Braunschweigische Landesversammlung ist keine konstituie- 
rende Nationalversammlung im eigentlichen souveränen Sinne gewesen. 
In Braunschweig hatte die Revolution die Räteverfassung eingeführt. 
Das vom Arbeiter- und Soldatenrat am 15. Nov. 1918 erlassene Wahl- 
gesetz ordnete Wahlen zu einer zeitlich beschränkten Landesvertretung 
an, die der Kontrolle und deren Beschlüsse dem Einspruche der Räte 
unterworfen waren (85 des Gesetzes vom 12. Nov. 1918 über die Ar- 
beiter- und Soldatenräte). An dieser ihrer neben- oder sogar nur unter- 
geordneten Stellung ist durch $ 3 der vorläufigen Verfassung nichts 
geändert worden. Nur durch einen neuen revolutionären Akt wäre es 
möglich gewesen, daß sich die mit beschränkten Befugnissen gewählte 
Landesvertretung zur selbständigen Konstituante gemacht hätte‘. Daß 
ein solcher revolutionärer Akt indessen nicht beabsichtigt gewesen ist, 
* Diese Auffassung ist vertreten in einer „Denkschrift über den ver- 
fassungsrechtlichen Zustand des Freistaates Braunschweig“ von Land- 
gerichtsrat E Ruben.
	        
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