Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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einem Tag auf den andern grundstürzend ändert. Infolgedessen wird das 
Kriegsrecht, wenn man von einem solchen überhaupt sprechen kann, was 
mir sehr zweifelhaft erscheint, immer wieder in vielen Punkten hinfällig 
und der schrankenlose Charakter des Krieges tritt in seinen notwendigen 
Auswirkungen zutage. Der Weltkrieg zeigte bei seiner riesenhaften Ent- 
wicklung der Kriegstechnik zahllose derartige Situationen, die immer neue 
Maßregeln zur Sicherung der militärischen Operationen verlangten. Mag 
man aber im einzelnen auch verschiedener Ansicht sein wie der Verf., so 
zeigt er jedenfalls nicht nur eine völlige Beherrschung des umfangreichen 
Stoffes, sondern auch ein vorsichtig abwägendes objektives Urteil. Das 
Buch bedeutet eine grundlegende Bereicherung der völkerrechtlichen 
Literatur. 
Schließlich behandelt die inhaltsreiche Studie von VERDROSS in 7 Ka- 
piteln die Frage der völkerrechtswidrigen Kriegshandlung und des daraus 
erfließenden Strafanspruchs der Staaten. 
Als strafrechtlicher Tatbestand kommt die völkerrechtswidrige Kriegs- 
handlung in Frage. Ausgeschieden werden die völkerrechtsgemäßen Kriegs- 
akte, auch wenn sie den Tatbestand einer strafrechtlich an sich verfolg- 
baren Handlung in sich schließen. Dagegen fallen unter die völkerrechts- 
widrige Kriegshandlung nicht nur die eigentlichen Kriegsverbrechen, d.h. die 
ım Kriege ohne Zusammenhang mit dem Kriegszweck begangenen gemeinen 
Verbrechen, sondern auch — was bestritten ist — an sich kriegerische 
Kampfakte, die aber völkerrechtlich unzulässig sind. Dieser hauptsächlich 
von England vertretenen Auffassung der völkerrechtswidrigen Kriegshand- 
lung schließt sich der Verf. an. So hat vor allem England die Praxis 
vertreten, daß Mitglieder der feindlichen Macht, die sich derartiger völker- 
rechtswidriger Kriegshandlungen schuldig gemacht haben, auch nach der 
Gefangennahme nach Kriegsgebrauch bestraft werden können und diese 
Praxis ist dann im Weltkriege allgemein verfolgt worden. Aber, wie 
VERDROSS im weiteren Verlauf seiner Untersuchung zeigt, ist nicht nur 
der Begriff der völkerrechtswidrigen Kriegshandlung, sondern auch ihr 
Objekt durchaus nicht klar bestimmt. Hinsichtlich des Objekts vertritt 
VERDROSS den meines Erachtens richtigen Standpunkt, daß Angriffe gegen 
die feindliche Staatsgewalt, die ja den direkten Angriffspunkt der Kriegs- 
handlungen bildet, niemals als strafbar angesehen werden können, soweit 
nicht der Staat als Fiskus in Erscheinung tritt oder individuelle Rechts- 
güter verletzt wurden. Keine Uebereinstimmung besteht auch in der Frage 
der individuellen Verantwortlichkeit für derartige Verletzungen, vor allem 
inwieweit der Dienstbefehl den Täter deckt. Auch hierfür sind die Aus- 
führungen des Verf. sehr beachtenswert. Im Rahmen seines Problems be- 
handelt VERDROSS auch den völkerrechtlichen Kriegsnotstand der Staaten, 
ohne aber dabei zu einem klaren Resultate zu kommen. Vom Standpunkte 
des allgemeinen Völkerrechts aus ist die Lösung dieser Frage meines Er-
	        
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