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haben. In diesem Sinne sei es in den allgemeinen Sprachgebrauch
übergegangen. Immer handelt es sich um ein Parlament, sofern
ein Ausschuß der Bürgerschaft beschließend teilnimmt an den
Geschäften der zentralen Staatsverwaltung. Faßt man es so, so
würde auch der Staatsrat zweifellos unter den Begriff der Volks-
vertretung fallen. Es bedarf jedoch der weiteren Erkenntnis, daß
jedes Parlament drei Aufgaben haben muß, die W. v. BLUME
S. 339 ebenfalls formuliert hat: 1. Das Parlament ist die Stelle,
wo die gemeinsamen Interessen aller Staatsbürger zur Geltung,
die einander entgegenstehenden zum Ausgleich kommen sollen.
2. Das Parlament ist Kontrollinstanz für die Bureaukratie. 3. Es
kann dem Staate Führer liefern. Daß der 3. Punkt auch für den
Staatsrat zutreffen kann, bedarf keines Beweises. Die 2. Aufgabe
findet sich auch beim Staatsrat, der gerade zum Zwecke der
Kontrollmöglichkeit vom Staatsministerium über die Führung der
Staatsgeschäfte auf dem Laufenden zu halten (Art. 40 Abs. 1),
der vor Erlaß allgemeiner organisatorischer Anordnungen des
Staatsministeriums zu hören ist (Art. 40 Abs. 4). Auf keinen
Fall aber ist die Forderung zu 1. erfüllt, weil der Staatsrat nicht
die Vertretung des ganzen Volkes, sondern der Provinzen ist
(Art. 31). Wie dem aber auch sei, so handelt es sich hier um
die Frage, ob der Staatsrat eine Volksvertretung in dem Sinne
ist, in dem es das bisherige Herrenhaus gewesen ist. Damit wird
die Frage aus der abstrakten Höhe theoretischer Betrachtung auf
den Boden der konkreten politischen Wirklichkeit gezogen und
ist zu verneinen.
Mit dem Rücktritt des preußischen Staatsministeriums vom
8. November und der Thronentsagung des Königs vom 9. No-
vember 1918 war die bisherige monarchische Staatsform beseitigt.
Eine revolutionäre Regierung mit dem Anspruch auf Innehabung
der ganzen Staatsgewalt wurde in Preußen durch die Vollver-
sammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte am 10. No-
vember 1918 auf dem Wege der Wahl eines Vollzugsrates von 28