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nehmen scheint, ein Gesetz dann für verbindlich erklärt, wenn das
Staatsministerrum sein verfassungsmäßiges Zustandekommen ge-
prüft, im bejahenden Sinne beantwortet und hiernach die Ver-
kündung vorgenommen hat. Vielmehr wird in jener Bestimmung
ausdrücklich zweierlei zur Verbindlichkeit der Gesetze gefordert:
a) das verfassungsmäßige Zustandekommen und b) die Verkün-
dung des Staatsministeriums in der vorgeschriebenen Form. Das
Staatsministerium ist wohl zur Erfüllung der zweitgenannten Voraus-
setzung, nicht aber zu einer verfassungsrechtlich maßgebenden,
alle Staatsangehörigen bindenden Entscheidung
darüber berufen, zu prüfen, ob das Gesetz verfassungs-
mäßig zustandegekommen ist. Das ist eine Frage,
die nach objektivem Verfassungsrecht von den zur Anwendung
des Gesetzes berufenen Amtsstellen beurteilt werden muß, während
die Entscheidung dieser Frage in keiner Rechtsvorschrift in den
Kreis der Macht- oder Rechtsbefugnisse des Staatsministeriums
gelegt worden ist. Ob dazu der ordentliche Richter berufen ist,
mag — um dies hier zunächst nur vorläufig zu bemerken — streitig
sein; jedenfalls besteht eine die deutsche Wissenschaft, hohe wie
höchste Gerichtshöfe beschäftigende Frage, ob und inwieweit der
Richter dazu berufen ist. Schon in dieser Fragestellung liegt jeden-
fallseingeschlossen, daß weder die Verfassung noch ein anderes Gesetz
mit der Prüfung der Rechtsgültigkeit der Gesetze die Staatsregie-
rung beauftragt hat. Sonst könnte das Problem gar nicht ge-
stellt werden, ob es sich um die Zuständigkeit des Richters
zur Prüfung der Rechtsverbindlichkeit der Gesetze handelt. Daß
das Staatsministerium zu einer alle Staatsangehörigen in
‚Preußen bindenden Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines
Gesetzes befugt sein sollte, wird gar nicht erörtert. Nicht zu
verwechseln ist damit die rein tatsächliche Frage, ob nicht das
Staatsministerium vor Verkündung sich selbst über das ver-
fassungsmäßige Zustandekommen Rechenschaft abzulegen und die
Publikation nur dann vorzunehmen hat, wenn es zu einem bejahen-