Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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perfecta sind, noch eine Halbheit, welche ohne ergänzendes Landes- 
gesetz noch nicht unmittelbar im Rechtsleben angewendet und 
betätigt werden kann. Um Kirchensteuern zu erheben, genügt 
z. B. der Abs. 6 des Art. 137 RV. noch nicht; es müssen noch 
Landesdurchführungsgesetze hinzukommen. Trotzdem ist der Abs. 6, 
wenn auch vorerst nur eine lex imperfecta, so doch eben eine 
wirkliche lex, und nicht bloß ein Programmpunkt, der erst noch 
einer gesetzlichen Einführung in das Rechtsleben bedürfte: Lan- 
desgesetzliche Kirchensteuerverbote z. B. sind schon durch Art. 137 
Abs. 6 RV. beseitigt. 
3. Auch das Reichsgericht hat nach RGZ. Bd. 26 
S. 281—283 und Bd. 62 S. 254 den ganz ähnlichen Fall aus dem 
ehemaligen preußischen Staatsrecht dahin entschieden, 
daß allen schon der Grundsatz der kirchlichen Selbstverwaltung 
nach Art. 15 der preußischen Verfassungsurkunde vom 31. Januar 
1850 unmittelbare Gesetzeswirkung geäußert und 
deswegen ohne weiteres einige Bestimmungen des preußischen 
Allgemeinen Landrechts beseitigt habe. Das Reichsgericht führt 
dabei aus: Jener Grundsatz habe die positive (anordnende oder 
verwaltende) Einmischung des Staates aufgehoben, insbesondere 
die Zuständigkeit des Staates und des staatlichen Richters, über 
die kirchliche Mitgliedschaft zu entscheiden, beseitigt, weil die 
Mitgliedschaft ihrem Wesen nach eine innere kirchliche An- 
gelegenheit sei und bleibe, wenn sie auch vermögensrechtliche 
Folgen habe. 
4. Die badische Verfassung vom 21. März 1919 
hatte — wie zahlreiche andere Landesverfassungen — in 
ihrem $ 18 Abs. 3 folgenden Satz: 
„Sie ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten frei und 
selbständig im Rahmen der allgemeinen Staatsgesetze.“ 
Es hat noch niemand daran gezweifelt, daß diese badische 
Bestimmung Gesetzeskraft haben sollte und hatte. Warum 
soll dies aber bei der verwandten und ebenso bestimmt 
gehaltenen Vorschrift des Art. 137 Abs. 3 RV. anders sein?
	        
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