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perfecta sind, noch eine Halbheit, welche ohne ergänzendes Landes-
gesetz noch nicht unmittelbar im Rechtsleben angewendet und
betätigt werden kann. Um Kirchensteuern zu erheben, genügt
z. B. der Abs. 6 des Art. 137 RV. noch nicht; es müssen noch
Landesdurchführungsgesetze hinzukommen. Trotzdem ist der Abs. 6,
wenn auch vorerst nur eine lex imperfecta, so doch eben eine
wirkliche lex, und nicht bloß ein Programmpunkt, der erst noch
einer gesetzlichen Einführung in das Rechtsleben bedürfte: Lan-
desgesetzliche Kirchensteuerverbote z. B. sind schon durch Art. 137
Abs. 6 RV. beseitigt.
3. Auch das Reichsgericht hat nach RGZ. Bd. 26
S. 281—283 und Bd. 62 S. 254 den ganz ähnlichen Fall aus dem
ehemaligen preußischen Staatsrecht dahin entschieden,
daß allen schon der Grundsatz der kirchlichen Selbstverwaltung
nach Art. 15 der preußischen Verfassungsurkunde vom 31. Januar
1850 unmittelbare Gesetzeswirkung geäußert und
deswegen ohne weiteres einige Bestimmungen des preußischen
Allgemeinen Landrechts beseitigt habe. Das Reichsgericht führt
dabei aus: Jener Grundsatz habe die positive (anordnende oder
verwaltende) Einmischung des Staates aufgehoben, insbesondere
die Zuständigkeit des Staates und des staatlichen Richters, über
die kirchliche Mitgliedschaft zu entscheiden, beseitigt, weil die
Mitgliedschaft ihrem Wesen nach eine innere kirchliche An-
gelegenheit sei und bleibe, wenn sie auch vermögensrechtliche
Folgen habe.
4. Die badische Verfassung vom 21. März 1919
hatte — wie zahlreiche andere Landesverfassungen — in
ihrem $ 18 Abs. 3 folgenden Satz:
„Sie ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten frei und
selbständig im Rahmen der allgemeinen Staatsgesetze.“
Es hat noch niemand daran gezweifelt, daß diese badische
Bestimmung Gesetzeskraft haben sollte und hatte. Warum
soll dies aber bei der verwandten und ebenso bestimmt
gehaltenen Vorschrift des Art. 137 Abs. 3 RV. anders sein?