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ausgefertigter und verkündeter Gesetze zu prüfen haben, während
sie bejaht wird von HUBRICH, Das demokratische Verfassungs-
recht des Deutschen Reiches 1921, S. 150 und zwar auf Grund
des Art. 102 der RVerf., der, indem er die Richter für unab-
hängig und nur dem Gesetz unterworfen erklärt, damit unmittel-
bar anerkennt, daß der Richter nur das Gesetz anzuwenden, auch
kraft seines unabhängigen Amtes sich darüber im einzelnen Falle
selbst durch eigene Nachprüfung zu vergewissern hat, ob das,
was er anwenden will, wirklich „Gesetz* ıst. Ferner sind für
die Bejahung BÜHLER, Deutsche Juristenzeitung 1921 S. 580 ff.,
und neuestens seine „Reichsverfassung* (Teubners Sammlung
„Aus Natur und Geisteswelt“‘) 1922 S. 82; FLEINER, Institutionen
des Verwaltungsrechts 5. Aufl. 1920 S. 19; JESCHKE, Prüfungs-
recht gegenüber verfassungswidrigen Reichsgesetzen, Kieler Disser-
tation, 1921, 88 39 ff.; KAHN, Annalen des Deutschen Reichs 1907
S. 481 ff., 597 ff.; PoETZSCH, Textausgabe der Reichsverfassung
2. Aufl. 1920 S. 158 Anm. 3 zu Art. 102; Preuss, Beratung der
RVerf., Ausschußprotokoll S. 536; TRIEPEL, Weg der (Gesetz-
gebung, Arch. f. öffentl. Recht Bd. 39 1919, S. 535; WALDECKER,
Die Verfassung des Freistaates Preußen 1921 S. 135 fi. usw.
Aus den für die Bejahung des richterlichen Prüfungsrechts
von deren Verfechtern, zu denen ich mich rechne, geltend ge-
machten Sätzen scheinen mir die folgenden Durchschlagskraft zu
besitzen: Der Richter ist zwar unabhängig; das Gegenstück ist
aber seine Unterwerfung unter das Gesetz (GVG. $ 1, RVerf.
Art. 102). Er muß also vor Anwendung feststellen, ob es ein
Gesetz, d. h. ein gültiges Gesetz ist, das von ihm Unterwerfung
erheisch. Die Verneinung des Prüfungsrechts bedeutet den
„Zwang, ein als verfassungswidrig erkanntes Gesetz anzuwenden“.
Ich weise auch auf $ 13 des Reichsbeamtengesetzes vom 17. Mai
1907: „Jeder Reichsbeamte ist für die Gesetzmäßigkeit seiner
amtlichen Handlungen verantwortlich“, ein Satz, der wegen seiner
Allgemeingültigkeit auch für Landesbeamte unzweifelhaft gilt.