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ausschließen müßte. Hat doch gerade diese gesetzgebende Gewalt
in den erwähnten Grundgesetzen ($ 1 GVG., Art. 102 RVerf.)
dem Richter jene Rechtsstellung angewiesen, aus der sich das
hier fragliche Prüfungsrecht als unentrinnbare Konsequenz ergibt.
Schließlich liegt aber allen aus der Gewaltenlehre gegen das
richterliche Prüfungsrecht abgeleiteten Erwägungen die Vor-
stellung zugrunde, als ob jene Lehre in Deutschland aufgenommen
und durchgeführt ist, während es doch sicher ist, daß dies erst
besonderer Prüfung bedarf, bei der sich ergeben wird, daß
mindestens die Durchführung sehr erheblich von dem Bilde der
klassischen Gewaltenteilungslehre abweicht. Daß überdies auch
diese letztere Gegenstand starker Meinungsverschiedenheiten hin-
sichtlich der Deutung Montesquieuscher Gedanken ist, darf noch
vermerkt werden”. Man befindet sich hier keineswegs auf un-
bestrittenem Boden.
Daß, wie W. JELLINEK behauptet, die Aenderung der Staats-
form ohne Einfluß auf die Prüfungsfrage geblieben ist, mag man
allenfalls zugeben. Aber es handelt sich um jene oben bereits
in Uebereinstimmung mit BÜHLER betonte Veränderung der Ver-
fassungslage und der politischen Gesamteinstellung durch
Reichs- und Landesverfassungen, um den vollständig gewandelten
Geist des durch diese bestimmten Staatslebens. Deshalb sind
auch, weil für eine andere Rechtslage maßgebend, alle die Gerichts-
15 Vgl. darüber, daß Montesquieu angeblich nur zwei statt drei Gewalten
kennt, Dvevıt La separation des pouvoirs et l’assembl&e nationale de 1789
(1893), BARKHBUSEN, Un paragraphe de l’esprit des lois, Revue critique de
legislation, 1882 S. 490; HERRNVILL, Grundlehren des Verwaltungsrechts, 1921
S. 4; dann die Kontroverse REHM-G. JELLINEK in des ersteren Allgemeiner
Staatslehre 1899, des letzteren Abhandlung: Eine neue Theorie über die
Lehre Montesquieus von den Staatsgewalten, Grünhuts Zeitschrift für das
Privat- und öffentliche Recht Bd. 30 (1903) S. 1 ff., Erwiderung von REHM
S. 417 f. und Duplik. JELLINERSs 8. 419, ferner in dessen Allg. Staatslehre
3. Aufl. 1914 S. 498 f. Auch an die Streitfrage, ob die Lehre von der
Gewaltenteilung mit der Volkssouveränität vereinbar ist (W. Hasbach) mag
erinnert werden.