Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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standteile noch genug. Aber 1810 kam in Preußen die Ge- 
werbefreiheit°’!undmitihr der Wegfall aller publi- 
zistischen Elemente in dem neugeordneten Privatgewerbe- 
recht. Der Gewerbetreibende war fortan nichts als Privatmann. 
Sein Gerichtsstand war ausschließlich derjenige 
vor den bürgerlichen Gerichten. 
Das wares, was entscheidend auf die Post- 
verwaltung zurückwirkte. In ihr war der Staat Ge- 
werbetreibender, daran bestand für die Auffassung des pandektisti- 
schen Zeitalters kein Zweifel. Die längst blühende Fiskus- 
theorie ?” gewann hier einen weiteren, höchst ergiebigen Nähr- 
boden. Es kam dahin, daß der Staat theoriemäßig aufhörte, 
Träger öffentlieher Rechte zu sein, sobald er ein Gewerbe be- 
trieb, selbst ein dem Privatverkehr durch Gesetz entzogenes. Es 
genügte, daß das vom Staat betriebene Gewerbe vom Privatunter- 
nehmer objektiv überhaupt betrieben werden konnte. Der Begriff 
des gewerbemäßigen Betriebes war noch nicht geboren. — 
Und in Postsachen hatte man ja bis 1867 in den Taxisposten 
seit nahezu drei Jahrhunderten das lebendige Beispiel eines vom 
Privatunternehmer wahrgenommenen, also wahrnehmbaren ?? Staats- 
2ı Edikt 2. 11. 1810 (GS. S. 121). 
2? Reichsabschied 1594 $ 94, Kurmainzer Sammlung 1660, S. 905. 
®?® Noch die Motive des preußischen PostG. 1852 beschäftigen sich 
eingehend allen Ernstes mit der Frage, „ob wirklich die Notwendigkeit 
begründet ist, auch fernerhin das Post- und Telegraphenwesen in seinem 
ganzen Umfange für Rechnung des Staates zu verwalten und nicht viel- 
mehr vorzuziehen sein möchte, dasselbe ganz oder doch in einzelnen 
Zweigen lediglich der Privatindustrie zu überlassen“ (Drucksachen der 
1I. Kammer, III. Session Nr. 125 S. 21). Schon 1811 hatte Kröger, Das 
deutsche Postwesen, Erlangen, S. 195 nur von einem privaten Reichspost- 
betriebe noch die Rettung der deutschen Posteinheit zu erhoffen gewagt» 
derselben Einheit, die dann später von der Reichsverfassung 1849 vergeb- 
lich gefordert wurde, bis sie endlich 1867/1871, wenn auch in wesentlich 
anderer Gestalt verwirklicht wurde. Die unbekümmert probierende, jeden- 
falls geschichtsfeindliche Gegenwart erhebt heute wiederum den Ruf nach 
Privatisierung des Postwesens, obschon aus dem Gegensatz der Art. 83
	        
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