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des Vertrags an eine Regierungsbehörde zu übertragen. Seitdem wurde
im ganzen Lande die örtliche Polizei von der Gemeinde verwaltet.
Mehrfache Anregungen zu einer Verstaatlichung wenigstens einzelner
Zweige der Polizei in der Hauptstadt Stuttgart waren nicht über Vor-
schläge und Entwürfe hinausgelangt.
Ortspolizeibehörde ist in Württemberg in erster Linie der Orts-
vorsteher als Leiter der gesamten Gemeindeverwaltung, der die Orts-
polizei unter eigener Verantwortung handhabt (Art.63 Abs. 2, Art. 163
Abs. 1 Gde.O.). Er kann in großen und mittleren Städten durch Auf-
stellung besonderer selbständig arbeitender Beamter zur: Verwaltung
der Polizei entlastet werden (Art. 165 Gde.O.). In bestimmten gesetz-
lich festgesetzten Fällen wirkt der Gemeinderat mit bzw. wird er zu-
ständig (Art. 163 Abs.2 Gde.O.). Insbesondere bedürfen ortspolizeiliche
Vorschriften, die eine für fortdauernde Geltung bestimmte Anordnung
enthalten, der Zustimmung des Gemeinderates. Für weitere Gegen-
stände ist seine Beschlußfassung. vorgeschrieben: Maßnahmen und Ein-
richtungen, die für die Dauer bestimmt oder mit Kosten für die Ge-
meinde verbunden sind, sollen nicht vom Ortsvorsteher allein bewirkt,
sondern von der breiteren Verantwortung des Gemeinderates getragen
werden. Die Gemeinde ist verpflichtet, nach Maßgabe des Art. 167
Gde.O, auf ihre Kosten alle Anstalten und Einrichtungen persönlicher
und sachlicher Art zu treffen, die nach den allgemeinen gesetzlichen
Vorschriften und den Verhältnissen der einzelnen Gemeinden für die
Zwecke der örtlichen Polizeiverwaltung erforderlich sind.
Eine gesetzliche Bestimmung des Begriffs der Polizei als Ver-
waltungszweig gibt es im württembergischen Rechte nicht. Nach der
bisherigen Rechtsentwicklung in Württemberg ist der Wohlfahrt be-
fördernden Tätigkeit der inneren Verwaltung die Polizei als die auf
die Abwehr von (tefahren gerichtete Tätigkeit gegenüberzustellen. Die
Mittel, mit denen der Abwehrzweck erreicht werden soll, Zwang oder
Pflege, spielen im allgemeinen bei Verwendung des Begriffs „Polizei“
in der württembergischen Rechtssprache keine Rolle3. Auch die Polizei
kann sich der pflegenden Tätigkeit bedienen. Für das württembergische
Recht kann also Polizei und Pflege nicht allgemein in Gegensatz ge-
stellt werden. Die württembergische Gemeindeordnung von 1906 weicht
indes von der geschichtlichen Entwicklung des Polizeibegriffs insoweit
ab, als die besondere Regelung der Verwaltung der Ortspolizei im VI.
8 Vgl. Jungen, Der Begriff der Polizei im württ. Recht. 1912. S. 78.