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gierung sich in offizieller Form bekannt hatte, bei der Entente nur
zu leicht die Anschauung aufkommen, daß Liechtenstein nur als
ein Anhängsel des östlichen Angrenzers zu betrachten sei. So kam es
denn auch, daß nach Friedensschluß die fürstliche Regierung von der
Entente darauf aufmerksam gemacht wurde, daß sie im eigenen Landes-
interesse sich einer stärkeren Betonung der Souveränität befleißigen
müsse, wenn sie auf Wahrung und Anerkennung staatlicher Selbständig-
keit Wert lege. Die vertraglichen Beziehungen, die zwischen Oester-
reich und Liechtenstein bestanden, sind nun hinsichtlich Post, Zoll und
Gerichtsbarkeit gelöst, Post- und Zollverwaltung durch Vereinbarungen
mit der Eidgenossenschaft sichergestellt, der Hauptort Vaduz zum Sitz
der Landesbehörden verfassungsmäßig bestimmt.
Die vom Landtage eingesetzte Verfassungskommission nahm in
den Sitzungen vom: 15. und 18. März 1921 den Bericht des Hofrats
Dr. Josef Peer, des Verfassers der Vorlage, die sich an die Grund-
gedanken der alten Verfassung anlehnt und auf ihnen weiterbaut, ent-
gegen. Peer erklärte dabei, daß das neue Werk im Entwurfe auf
Vereinbarungen (den sog. Schloßabmachungen) beruhe und daß seine,
als des Verfassers, Stellungnahme zu den Beratungen zum vorhinein
gegeben sei. Aus dem Verlaufe der letzteren ergab sich, daß die
Kommission sich grundsätzlich auf den Standpunkt der Vorlage stellte.
Abänderungen des Entwurfs erfolgten nur insoweit, als solche auf
Grund der besonderen Landesverhältnisse für erforderlich erachtet
wurden.
Wie das alte Grundgesetz, zerfällt auch die neue Verfassung in
neun Hauptstücke: Fürstentum, Landesfürst, Staatsaufgaben, Rechte
und Pflichten der Landesangehörigen, Landtag, Landesausschuß, Be-
hörden, Gemeindewesen, Verfassungsgewähr und Schlußbestimmungen.
Das Fürstentum Liechtenstein bildet in der Vereinigung seiner beiden
Landschaften Vaduz (Oberland) und Schellenberg (Unterland) ein un-
teilbares und unveräußerliches Ganzes mit Vaduz als Hauptort und Sitz
der Landesbehörden; es ist eine konstitutionelle Erbmonarchie auf
demokratischer und parlamentarischer Grundlage, die Staatsgewalt, in
Fürst und Volk verankert, wird von beiden nach Maßgabe der Ver-
fassungsbestimmungen ausgeübt. Die bestehenden Hausgesetze ordnen
die im Fürstenhause Liechtenstein erbliche Thronfolge, die Volljährig-
keit des Landesfürsten, wie des Erbprinzen, wie vorkommendenfalls
eine Vormundschaft. Ein Gesetz ist erforderlich, wenn die Grenzen
des Staatsgebiets oder einzelner Gemeinden verändert, neue Gemeinden