Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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neben das politische Parlament stellt, sei es daß man die wirtschaftlichen 
Angelegenheiten ihm allein zur Entscheidung überläßt, sei es daß man ihm 
als eine Art erster Kammer ein Zustimmungsrecht zur Gesetzgebung über- 
haupt verleiht (S. 153). Der Verf. spricht sich aber mit guten Gründen 
gegen eine solehe Ausgestaltung aus. Nach ihm kommt es nicht darauf 
an, welche Stellung die Wirtschaftvertretung im ganzen hat, als vielmehr 
auf den Einfluß, den die einzelnen Gruppenvertretungen ausüben können. 
Und dieser Einfluß kann in einer bloß beratenden Körperschaft ebenso 
geltend gemacht werden, wie in einer entscheidenden, bei der immer mit 
der Gefahr des Ueberstimmtwerdens gerechnet werden muß. Jedenfalls 
erscheint ihm die Lösung der Frage, wie die Vertretung der, Berufsver- 
bände in den Staatsorganismus eingegliedert werden kann, als eine wesent- 
liche und heute unentbehrliche Voraussetzung eines gesunden Staatslebens. 
Von den Gründen gegen die berufständische Vertretung würdigt der 
Verf. besonders die Einwendungen GEORG MEYERS in seinem „parlamentari- 
schen Wahlrecht“. Danach entspricht die berufständische Vertretung nicht 
dem Wesen der Volksvertretung, deren Mitglieder eben Vertreter des 
ganzen Volkes sind. Der Staat und seine Organe, also auch die Volks- 
vertretung sollen im Streit der Interessen neutral sein, darin besteht ihr 
eigentlicher Sinn. Das macht aber, wie der Verf. hervorhebt, die beruf- 
ständische Vertretung ungeeignet zur politischen Führerschaft. Die Berufs- 
vertretung ist und will eine Interessenvertretung sein und kann deshalb 
den überindividuellen Zwecken. des Staats gegenüber nur die wirtschaft- 
lichen Interessen einzelner Gruppen verfolgen. Wird diese Aufgabe von 
einer Vertretung der Berufsverbände besorgt und damit das politische 
Parlament von der Belastung mit Sonderinteressen frei, so können beide 
nur gewinnen, ohne daß dadurch die untrennbare Verflechtung von Wirt- 
schaft und Staat angetastet würde. Ersetzen kann also eine berufständische 
Vertretung die bisherigen Träger der Staatsgewalt nicht, wohl aber in 
einer für beide Teile vorteilhaften Weise ergänzen. 
Damit ergibt sich aber schon die Beantwortung der Frage, welche 
Form der berufständischen Vertretung heute als die geeignete erscheint. 
‘Verf. unterscheidet drei Möglichkeiten: die Berufsvertretung kann sein 
allein entscheidender Träger der Staatsgewalt, sie kann sein mitentscheidend 
bei ihrer Ausübung oder sie kann schließlich nur rein beratend neben der 
Staatsgewalt stehen. Von diesen Möglichkeiten sind nach dem eben ge- 
sagten heute nur die beiden letzten praktisch. Mitentscheidend war die 
berufständische Vertretung unter der konstitutionellen Monarchie mit beruf- 
ständisch gegliedertem Parlament, sei es daß man die berufständischen 
Vertreter mit den politischen Abgeordneten in einer Kammer vereinigt, 
sei es daß man an eine besondere dem politischen Parlament gleichgeordnete 
Kammer der Arbeit denkt. Da unter der heutigen Stäatsform nur das 
letztere in Frage kommt, müßte unter dem parlamentarischen Regime das
	        
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