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neben das politische Parlament stellt, sei es daß man die wirtschaftlichen
Angelegenheiten ihm allein zur Entscheidung überläßt, sei es daß man ihm
als eine Art erster Kammer ein Zustimmungsrecht zur Gesetzgebung über-
haupt verleiht (S. 153). Der Verf. spricht sich aber mit guten Gründen
gegen eine solehe Ausgestaltung aus. Nach ihm kommt es nicht darauf
an, welche Stellung die Wirtschaftvertretung im ganzen hat, als vielmehr
auf den Einfluß, den die einzelnen Gruppenvertretungen ausüben können.
Und dieser Einfluß kann in einer bloß beratenden Körperschaft ebenso
geltend gemacht werden, wie in einer entscheidenden, bei der immer mit
der Gefahr des Ueberstimmtwerdens gerechnet werden muß. Jedenfalls
erscheint ihm die Lösung der Frage, wie die Vertretung der, Berufsver-
bände in den Staatsorganismus eingegliedert werden kann, als eine wesent-
liche und heute unentbehrliche Voraussetzung eines gesunden Staatslebens.
Von den Gründen gegen die berufständische Vertretung würdigt der
Verf. besonders die Einwendungen GEORG MEYERS in seinem „parlamentari-
schen Wahlrecht“. Danach entspricht die berufständische Vertretung nicht
dem Wesen der Volksvertretung, deren Mitglieder eben Vertreter des
ganzen Volkes sind. Der Staat und seine Organe, also auch die Volks-
vertretung sollen im Streit der Interessen neutral sein, darin besteht ihr
eigentlicher Sinn. Das macht aber, wie der Verf. hervorhebt, die beruf-
ständische Vertretung ungeeignet zur politischen Führerschaft. Die Berufs-
vertretung ist und will eine Interessenvertretung sein und kann deshalb
den überindividuellen Zwecken. des Staats gegenüber nur die wirtschaft-
lichen Interessen einzelner Gruppen verfolgen. Wird diese Aufgabe von
einer Vertretung der Berufsverbände besorgt und damit das politische
Parlament von der Belastung mit Sonderinteressen frei, so können beide
nur gewinnen, ohne daß dadurch die untrennbare Verflechtung von Wirt-
schaft und Staat angetastet würde. Ersetzen kann also eine berufständische
Vertretung die bisherigen Träger der Staatsgewalt nicht, wohl aber in
einer für beide Teile vorteilhaften Weise ergänzen.
Damit ergibt sich aber schon die Beantwortung der Frage, welche
Form der berufständischen Vertretung heute als die geeignete erscheint.
‘Verf. unterscheidet drei Möglichkeiten: die Berufsvertretung kann sein
allein entscheidender Träger der Staatsgewalt, sie kann sein mitentscheidend
bei ihrer Ausübung oder sie kann schließlich nur rein beratend neben der
Staatsgewalt stehen. Von diesen Möglichkeiten sind nach dem eben ge-
sagten heute nur die beiden letzten praktisch. Mitentscheidend war die
berufständische Vertretung unter der konstitutionellen Monarchie mit beruf-
ständisch gegliedertem Parlament, sei es daß man die berufständischen
Vertreter mit den politischen Abgeordneten in einer Kammer vereinigt,
sei es daß man an eine besondere dem politischen Parlament gleichgeordnete
Kammer der Arbeit denkt. Da unter der heutigen Stäatsform nur das
letztere in Frage kommt, müßte unter dem parlamentarischen Regime das