Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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knüpfen. Das tut der Verf. auch, wenn er die Beiziehung von Interessenten 
zu der Gesetzesberatung verlangt. Er geht aber noch weiter und verlangt 
die Verlegung der formellen Gesetzgebung in die Ausschüsse und will den 
Reichstag auf ein bloßes Einspruchsrecht in der Gesetzgebung beschränken. 
Mit diesem Vorschlag berührt er sich stark mit dem Antrag Schiffer vom 
Januar 1921 und die Kritik gegen den letzteren richtet sich größtenteils 
auch gegen ihn‘. Vor allem ist aber auch mit der Uebertragung derartiger 
Befugnisse auf einen Ausschuß für unser Problem nichts gewonnen. Denn 
die ständig wechselnden Ausschüsse würden der Stetigkeit entbehren, ab- 
gesehen davon daß die vom Verf. vorgeschlagenen Mittel zur Unabhängig- 
keit der Abgeordneten von ihrer Partei mir illusorisch erscheinen. Die 
Ausschüsse würden auch das nicht sein können, was gerade den vielseitigen 
Interessenvertretungen gegenüber notwendig erscheint, nämlich eine neutrale 
entscheidende Instanz im Staatsleben. Die ganze historische Entwicklung 
zeigt, daß der Staat Schaden leiden muß, wenn die einzelnen Interessen 
in ihm überwuchern, wenn keine Instanz da ist, die ihnen Einhalt gebieten 
und ihren Ausgleich herbeiführen kann. Daß das Parlament dazu infolge 
seiner Durchsetzung mit Klasseninteressen nicht imstande ist, dürfte schwer 
zu bestreiten sein. Bis zu einem gewissen Grade herrschen kann höchstens 
ein so homogenes Parlament wie das zur Zeit des klassischen englischen 
Parlamentarismus, dessen regierende Führer außerdem durch ihre persön- 
liche Unabhängigkeit die nötige Sachlichkeit garantierten. Diese sachliche 
Unabhängigkeit fehlt aber der Regierung im kontinentalen Parlamentaris- 
mus. Und damit fehlt die Hauptvoraussetzung für die gesunde Entwick- 
lung einer berufständischen Vertretung, eine neutrale unabhängige Regie- 
rung, die wirklich imstande ist, frei von jeder Demagogie zu handeln. 
Sie kann vorhanden sein sowohl in der parlamentarischen Monarchie, 
da der Monarch dort, wenn auch keinen Machtfaktor, so doch einen gerade 
in dieser Beziehung wichtigen und vor allem unabhängigen neutralen 
Mittelpunkt bildet, sie ist auch möglich in der Republik der Vereinigten 
Staaten, deren Verfassung dem Präsidenten eine große Initiativmöglichkeit 
gibt. Sie fehlt in unserer neuen Staatsform, in der man bewußt die Stel- 
lung des Reichspräsidenten herabgedrückt hat zugunsten der den parla- 
mentarischen Strömungen ganz ausgelieferten Reichsregierung. Solange 
aber diese Form des Parlamentarismus bei uns vorherrscht, scheinen mir 
die Voraussetzungen für eine sachliche neutrale Regierungsführung und 
damit auch für eine befriedigende Lösung des berufständischen Problems 
nicht gegeben zu sein. Und auch die Vorschläge des Verf.s bringen diese 
Lösung nicht. Er versäumt es, das berufständische Problem und seine 
Lösung in den größeren Rahmen des Problems der parlamentarischen 
* Vgl. die Kritik der Schifferschen Anträge in meinem Aufsatz „Parla- 
mentsreform“, Arch. öff. R., Bd. 40, S. 16 ff.
	        
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