Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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Dieser Ueberblick läßt natürlich nur ganz im großen den Inhalt er- 
kennen. Für den Fachgenossen i. e. S., d. h. den Kirchenrechtler, kann 
ja der Verf. nichts Neues bieten — aber wir glauben, es würde vielen 
Theologen, Juristen und solchen, die nun in die kirchliche Selbstverwaltung 
eintreten, sehr nützlich sein, wenn sie den Entwicklungsgang des landes- 
herrl. Kirchenregiments und die Gedankengänge des Verf. verfolgten. 
Auch bei ihm tritt so recht deutlich hervor, welch ein Unding im Grunde 
dieses Gebilde war, das als Notrecht entstand. Welcher Kundige könnte 
zweifeln, daß Luther heute staatskirchenrechtlich Calvinist wäre! Nun ist 
es dahin! Was Schreiber dieser Zeilen 1902 (Ev. Ki.-Zig. Nr. 2 u. 3) vom 
Kaiser verlangte und was nur die Köln. Volkszeitung u. das bayer. „Vater- 
land“ in Harnisch brachte ist doch gekommen und Verf. erhofft davon 
Fortschritt und Segen, wenn der Augenblick richtig ergriffen wird. Verf. 
scheint in seinem Schlußabschnitt den Gedanken von CURTIUS nahezu- 
kommen (dessen Schrift ist erst später erschienen), der die Kirche als 
Genossenschaft der Gemeinden betrachtet. Es bleibt dabei: die Kirche 
im überirdischen Sinn ist monarchisch — Christus, der Herr! — ihre Ge- 
staltung auf Erden ist demokratisch. Das Gemeindeprinzip ist das älteste 
Prinzip der christlichen Verfassung. Welche Vorschläge Verf. im einzelnen 
über Wahlrecht, Organisation usw. macht, muß man in der anregenden 
Schrift selbst nachlesen. Da die verfassunggebende preuß. Generalsynode 
im April zusammentritt, dürfte die Schrift von großem Interesse sein, aber 
ihr Wert geht darüber hinaus — auch außerhalb Preußens (in Baden z.B. 
tritt Ostern die neue Verfassung v. 24. 12.19 in Kraft) sind ja die Verhält- 
nisse ähnlich. Zur Zeit wird das landesberrliche Kirchenregiment in Preußen 
nicht von einem König, sondern von den — mehr oder minder — „heiligen 
drei Königen“ ausgeübt, wie man die beauftragten drei Staatsminister 
nennt — ein in unserer an unlogischen Gestaltungen so reichen Zeit be- 
sonderer Widersinn. Hoffen wir mit dem Verf., daß der Fortfall des 
„landesherrl. Kirchenregiments“ eine Neubelebung des ev. Kirchenvolks 
bedeute und daß zunächst die Kirchengewalt der Gemeinde und der Ge- 
samtheit der Gemeinden zurückgegeben werde, sodann daß die deutsche 
Kleinkircherei aufhöre und die Bahn frei werde nicht nur zu dem Zu- 
sammenschluß der deutschen Landeskirchen, sondern zu einer alle evangeli- 
schen Völker umfassenden Organisation, die, die Welt umspannend, in den 
höchsten Dienst des Rechts und des Friedens treten könnte. Daß die 
Verfassung nicht das Wesen der Kirche ausmacht wissen wir alle (s. S. 100), 
aber auch Kirchenverfassungen können nützlich oder schädlich sein und 
auch die sichtbare Kirche muß ein Ziel haben, das alle ihre Glieder durch- 
glüht (S. 106). 
A. v. Kirchenheim.
	        
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