Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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Dr. jur. Ludwig Waldecker, Die Abgeltung von Ansprüchen 
an das Reich. Tübingen J. C. B. Mohr, 1921, 82 S. 
Verf. untersucht in seiner Schrift Rechtscharakter und Inhalt der V. vom 
4. Dez. 1919 über die Abgeltung von Ansprüchen gegen das Reich, wobei er 
den Begriff der Abgeltung mit Recht als eine Bereicherung unserer Rechts- 
sprache bezeichnet. Da diese Verordnung ihrem Inhalt nach auf der sog. 
Demobilmachungsverordnung vom 21. Nov. 18 aufbaut, untersucht er zunächst 
in eingehenden Ausführungen den Rechtscharakter der Demobilmachungs- 
verordnung. Wenn er ihr dabei den Charakter als Rechtsverordnung ab- 
spricht, so sind seine Ausführungen darüber sehr beachtlich und beleuchten 
in sehr eindringlicher Weise das Elend des Revolutionsverordnungsrechts, 
über das der Verf. noch am Schlusse manche treffende Ausführungen bringt. 
Aber man wird über seine Auffassung zum mindesten streiten können. 
Meines Erachtens verdienen die Ausführungen JAKOBIs im ArchöffR. Bd. 39, 
8. 304/305 den Vorzug, der der Ansicht ist, daß in dem Erlaß vom 12. Nov. 18 
dem Demobilmachungsamt ein echtes Verordnungsrecht übertragen worden 
ist. Der Verf. stützt seine Ansicht von der rein organisatorischen Be- 
deutung des Erlasses vom 12. November letzten Endes auf die Auffassung, 
daß durch die Revolution der alte Staat als erloschen anzusehen sei und 
erst vom 10. Februar 19, also vom Erlasse der Notverfassung am, der neu 
entstandene Staat datiere. Ich kann ihm hierbei nicht folgen. „Revolution 
und Nationalversammlung haben nicht einen neuen Staat gegründet, son- 
dern einem bestehenden Staat eine neue Verfassung gegeben“ (ANSCHÜTZ, 
Kommentar zur RV.S. 26). Nach dieser Ansicht hängt dann aber der 
Rechtscharakter der Verordnungen der Volksbeauftragten nicht von ihrer 
nachträglichen Sanktionierung durch das Uebergangsgesetz ab, sondern ist, 
die Folgerung aus der Tatsache, daß der Rat der Volksbeauftragten als 
damals gesetzgebendes Organ des Reiches anerkannt wurde. 
Mag man nun auch in diesen grundsätzlichen Fragen anderer An- 
sicht sein, so muß man dem Verf. in seinen Schlußfolgerungen ganz 
und gar zustimmen. Er hat ganz recht, wenn er aus dem noch jetzt 
immer fortdauernden Mißbrauch des Verordnungsrechts und der zweifel- 
haften Einrichtung der „vereinfachten Gesetzgebung“ schließt, daß die 
Revolution bei uns immer noch nicht abgeschlossen ist. Es ist aber höchste 
Zeit, daß wir im Sinne des Rechtsstaats wieder zu konsolidierten Zu- 
stäinden kommen. „Ein bischen formale Demokratie“ allein tut es nicht, 
wie der Verf. am Schluß treffend hervorhebt (S. 81). Und ebenso sieht er 
deutlich, daß im Versagen der Volksvertretung und man kann weiter- 
gehend sagen in dem Bankrott des formalen Parlamentarismus einer der 
Hauptgründe für die schwankenden Grundlagen unserer Gesetzgebungs- 
technik liegt.
	        
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