Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

— 265 — 
zum Ausdruck: Da die Regierung jetzt lediglich ein Vollzugsaus- 
schuß des Parlaments sei, könnten Verfassungsstreitigkeiten eigent- 
lich ‚nur durch Mehrheitsbeschlüsse des Parlaments entschieden 
werden. Man wies auf Art. 19 der Reichsverfassung hin, der Be- 
stimmung für den Fall trifft, daß in einem Lande kein Gericht 
zur Erledigung von Verfassungsstreitigkeiten besteht.“ 
Dazu ist zu bemerken: 
Verfassungsstreitigkeiten, für die ein Staatsgerichtshof in 
Betracht kommen kann, sind Rechtsstreitigkeiten '* zwischen 
Regierung und Landtag über Anwendung, Auslegung und Geltung 
von Verfassungsbestimmungen ; sie können niemals durch einen 
Mehrheitsbeschluß des Landtags geschlichtet werden, für sie ist, 
da Sachsen kein eigenes Gericht zu ihrer Erledigung hat, aus- 
schließlich der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich zuständig. 
Reichsverfassung Art. 19. 
Aber WOELKER kennt auch politische Verfassungsstreitig- 
keiten. Er sagt!?: „Man war sich klar darüber, daß politische 
Verfassungsstreitigkeiten zwischen Regierung und Parlament nach 
den Grundsätzen der parlamentarischen Regierungsform durch 
Mehrheitsbeschluß des Parlaments entschieden werden.“ 
Politische Verfassungsstreitigkeiten — das sind Streitigkeiten 
über die Verfassung nicht als lex lata, sondern als lex ferenda, 
über Verfassungsänderungen. Insoweit ist gewiß die Landtags- 
mehrheit maßgebend, aber nicht „nach den Grundsätzen der parla- 
mentarischen Regierungsform*, sondern, weil sie, abgesehen vom 
Falle des Volksentscheides, allein Gesetzgeber ist. Die Regierung 
wirkt bei der Gesetzgebung nur insofern positiv mit, als sie Ge- 
setzentwürfe beim Landtage einbringen kann, als sie vom Land- 
tage ihr überwiesene Gesetzentwürfe zu prüfen und die vom Land- 
tage beschlossenen Gesetze auszufertigen und zu verkünden hat. 
Im übrigen ist die Regierung befugt, dem Landtage Hindernisse 
18 MEYER-ANSCHÜTZ (7) S. 984 Anm. 11. 
we A. a. O0. S. 143.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.