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zum Ausdruck: Da die Regierung jetzt lediglich ein Vollzugsaus-
schuß des Parlaments sei, könnten Verfassungsstreitigkeiten eigent-
lich ‚nur durch Mehrheitsbeschlüsse des Parlaments entschieden
werden. Man wies auf Art. 19 der Reichsverfassung hin, der Be-
stimmung für den Fall trifft, daß in einem Lande kein Gericht
zur Erledigung von Verfassungsstreitigkeiten besteht.“
Dazu ist zu bemerken:
Verfassungsstreitigkeiten, für die ein Staatsgerichtshof in
Betracht kommen kann, sind Rechtsstreitigkeiten '* zwischen
Regierung und Landtag über Anwendung, Auslegung und Geltung
von Verfassungsbestimmungen ; sie können niemals durch einen
Mehrheitsbeschluß des Landtags geschlichtet werden, für sie ist,
da Sachsen kein eigenes Gericht zu ihrer Erledigung hat, aus-
schließlich der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich zuständig.
Reichsverfassung Art. 19.
Aber WOELKER kennt auch politische Verfassungsstreitig-
keiten. Er sagt!?: „Man war sich klar darüber, daß politische
Verfassungsstreitigkeiten zwischen Regierung und Parlament nach
den Grundsätzen der parlamentarischen Regierungsform durch
Mehrheitsbeschluß des Parlaments entschieden werden.“
Politische Verfassungsstreitigkeiten — das sind Streitigkeiten
über die Verfassung nicht als lex lata, sondern als lex ferenda,
über Verfassungsänderungen. Insoweit ist gewiß die Landtags-
mehrheit maßgebend, aber nicht „nach den Grundsätzen der parla-
mentarischen Regierungsform*, sondern, weil sie, abgesehen vom
Falle des Volksentscheides, allein Gesetzgeber ist. Die Regierung
wirkt bei der Gesetzgebung nur insofern positiv mit, als sie Ge-
setzentwürfe beim Landtage einbringen kann, als sie vom Land-
tage ihr überwiesene Gesetzentwürfe zu prüfen und die vom Land-
tage beschlossenen Gesetze auszufertigen und zu verkünden hat.
Im übrigen ist die Regierung befugt, dem Landtage Hindernisse
18 MEYER-ANSCHÜTZ (7) S. 984 Anm. 11.
we A. a. O0. S. 143.