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Unter Eingreifen kann man Verschiedenes verstehen. Für die
Reichsaufsicht ist wesentlich, daß die Reichsregierung nicht bloß
durch politischen Druck auf die Länder einwirken kann, sondern
daß die letzteren von Rechts wegen verpflichtet sind, dem Ein-
greifen stattzugeben.
Diese Normierung der Reichsaufsicht ist lehrreich für das
Verständnis der Abhängigkeit der Regierung von Landtage nach
sächsischem Staatsrecht.
Der Landtag hat die Politik und Verwaltung zu „überwachen“.
Davon, daß der Landtag zuständig sei, in die Politik und Ver-
waltung mit Rechtsbefehlen vorbeugend oder berichtigend einzu-
greifen, ist kein Wort in der Verfassung zu lesen. Da sie es
mit der Abgrenzung rechtlicher, nicht mit der Abgrenzung poli-
tischer Befugnisse zu tun hat, diese innerhalb der rechtlichen
Schranken dem freien Spiel der Kräfte überläßt, wird man dem
Landtage nicht versagen dürfen, durch politische Druckmittel
auf die Regierung einzuwirken, sie seinen Wünschen willfährig
zu machen. Aber gänzlich ausgeschlossen ist die Annahme, daß
der Landtag befugt sei, der Regierung Befehle zu erteilen mit
der Maßgabe, daß sie rechtlich verbunden wäre, ihnen Folge
zu leisten. Von einem solchen Eingreifen des Landtags kann
keine Rede sein. Die Regierung braucht sich ein Hineinregieren
des Landtags nicht gefallen zu lassen. Die Minister allein regie-
ren, sie sind dem Landtage nicht untergeordnet, ihm nicht zum
Gehorsam verpflichtet, der Landtag hat den Ministern von Rechts
wegen nichts zu befehlen.
Dies folgt auch daraus, daß die Minister für ihre Politik und
Verwaltung dem Landtage verantwortlich sind, Art. 29. Sie sind
verantwortlich nicht dafür, daß ihr Handeln den Wünschen des
Landtags, sondern dafür, daß es den Gesetzen und dem Wohle des
Landes entspricht?!. Wer in solcher Weise verantwortlich sein
21 Zu vgl. die oben unter I mitgeteilte Stelle aus der Begründung des
Verfassungsentwurfs.