Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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SCHELCHER wird sich auf G. JELLINEK berufen. In der Tat 
begegnet uns in dessen Werke „Gesetz und Verordnung“ ®! ein 
Gedankengang, mit dem SCHELCHERs Darlegung im wesentlichen 
übereinstimmt. Allein G. JELLINEK hat die Ansicht, daß das 
Volk als Gesamtheit der Staatsbürger in der repräsentativen Repu- 
blik nicht die Fähigkeit habe, einen gültigen Willen zu äußern, 
später in seiner „Allgemeinen Staatslehre* ®® ausdrücklich aufge- 
geben. Er vertritt nunmehr die Meinung: ®?® „Im Staate mit 
Repräsentativverfassung ist das Volk als einheitliches Staatselement 
zugleich objektives Staatsglied, kollegiales Staatsorgan, oder noch 
genauer ausgedrückt, derjenige Teil des Volkes, dem verfassungs- 
mäßig die Ausübung staatlicher Funktionen in geringerem oder 
größerem Umfange zukommt. Einen Teil der Funktionen übt es 
selbst, den anderen durch einen Ausschuß aus, der als Organ des 
Volkes zugleich Organ des Staates selbst ist.* 
Nach G. JELLINEK ®* beruht die demokratische Republik „auf 
der Stellung der Volksgemeinde als höchsten Staatsorganes“. Das 
gilt nicht bloß von der rein repräsentativen demokratischen Re- 
publik 8°, sondern erst recht von der repräsentativen demokratischen 
wille ist einmal eine soziologische Erscheinung gemeint, sie interessiert 
uns nicht; nur soviel sei bemerkt, daß nicht von einer Willens- 
übereinstimmung aller Volksangehörigen die Rede sein kann. Ein Volks- 
wille in anderem Sinne kommt durch einen juristischen Prozeß zustande, 
dadurch, daß eine Gesetzesvorschrift den objektivierten Willen bestimmter 
Menschen nicht diesen Menschen, sondern der Volksgemeinschaft zurechnet. 
Dieser Volkswille ist ein gesetzlicher Zurechnungsbegriff. Hier von Fiktion 
zu sprechen, fördert die Erkenntnis nicht. Der Jurist behauptet gar nicht 
Identität des Willens der bestimmten Menschen mit dem Volkswillen im 
soziologischen Sinne, auch nicht, daß der Wille der bestimmten Menschen 
der Wille aller Volksgenossen sei. Damit erledigt sich auch das, was 
SCHELCHER a. a. O. S. 343 Anm, 2 geltend macht. 
sı 5. 209. 
82 (3) S. 588. 
ss Hbenda S. 585. 
*A.2.0.8. 717. 
»s S. 726 bei Anm. 1.
	        
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