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wenn der Präsident stirbt oder aus einem andern Grunde seine
Stelle frei wird, bis zur Neuwahl der Ministerrat die Leitung der
exekutiven Gewalt. Ferner gehören hierher der conseil executif
der französischen Verfassung vom 24. VI. 1793 Art. 62 mit 25
Mitgliedern, und das Direktorium der französischen Verfassung
vom 22. IX. 1795 Art. 132 mit 5 Mitgliedern. Auch der Rat
der Volksbeauftragten bis zum Zusammentritt der deutschen Natio-
nalversammlung bietet ein Beispiel, nur daß diese zugleich die
Legislative hatten.
In der sächsischen Verfassung ist weder das Präsidialsystem
noch das Kollegialsystem verwirklicht, sondern eine eigenartige
Mischung. Die Regierung ist kein einheitliches Staatsorgan,
sie ist die Kollektivbezeichnung für verschiedene Organe, die wohl
in engem Zusammenhange miteinander stehen, aber doch auch,
ein jedes für sich, seine eigene Zuständigkeit haben. Regierung
ist das Gesamtministerium, Regierung ist aber auch jeder einzelne
Minister, und unter dem einzelnen Minister nimmt wiederum der
Ministerpräsident, gleichfalls als Regierung, eine besondere Stel-
lung ein.
Der Ministerpräsident ernennt und entläßt die Fachminister,
er vertritt den Staat nach außen und bestimmt die Richtlinien der
Politik; sein Rücktritt hat den Rücktritt der übrigen Minister im
Gefolge; er hat den Vorsitz im Gesamtministerium.
Innerhalb der Richtlinien, die der Ministerpräsident aufstellt,
leitet jeder Minister den ihm anvertrauten Geschäftszweig selb-
ständig, unabhängig vom Ministerpräsidenten.
Gewisse Angelegenheiten werden vom Gesamtministerium er-
ledigt. Das Gesamtministerium ist nach Art. 30 zuständig zur
Beschlußfassung a) über die Geschäftsverteilung, b) über Gesetz-
entwürfe, e) über Angelegenheiten, für die Verfassung oder Gesetz
es vorschreiben, d) über Meinungsverschiedenheiten, die den Ge-
schäftsbereich mehrerer Ministerien berühren. Außerdem ist das
Gesamtministerium e) befugt, die Entscheidung über Angelegen-