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Zuständigkeit der letzteren war im wesentlichen die gleiche wie
jetzt. Der Ministerpräsident hatte die übrigen Minister zu berufen,
den Staat nach außen zu vertreten und den Vorsitz im Gesamt-
ministerium. Die Bestimmung der Richtlinienpolitik stand ihm
aber nicht zu, er war nur für die Politik des Gesamtministeriums
verantwortlich, die Leitung der Politik lag diesem, nicht dem
Ministerpräsidenten ob. Die übrigen Minister waren dem Minister-
präsidenten hinsichtlich der Richtlinien der Politik, anders wie
jetzt, nieht zum Gehorsam verpflichtet, nicht rechtlich unterge-
ordnet. Diese Richtlinien wurden vom Gesamtministerium be-
schlossen: der Ministerpräsident konnte nur die Entlassung! der
Ministerkollegen herbeiführen, die eine Politik des Gesamtministe-
rıums, für die er die Verantwortung zu übernehmen bereit war,
unmöglich machten. Im übrigen stimmte die Zuständigkeit des
Gesamtministeriums wesentlich mit der gegenwärtigen überein.
Aus dem Gesagten erhellt: die Stellung des Gesamtministe-
riums war früher eine höherwertige. Da ihm die Leitung der
Politik zustand, ließ sich seine Kennzeichnung als oberste Staats-
bebörde wohl rechtfertigen. Allein jetzt liegen die Dinge
anders. Die Ansicht des Verfassungsausschusses, über die WOEL-
KER anscheinend zustimmend berichtet, daß nämlich das Gesamt-
ministerium in politischen Dingen die oberste Instanz gegenüber
19 Nach $ 12, 2 beruft der Ministerpräsident die übrigen Mitglieder
des Gesamtministeriums.. Wenn ihm die Verantwortung für die Politik
des Gesamtministeriums in $ 14 auferlegt wird, mußte er aber auch die
Befugnis haben, sie zu entlassen.
110 SOHELCHER (FISCHERS Zeitschrift Bd. 49 S. 384) sagt: „Als nominelles
Staatsoberhaupt wird im vorläufigen Grundgesetz weder der Minister-
präsident noch das Gesamtministerium bezeichnet, vielmehr an einer Stelle
nur gesagt, daß das Gesamtministerium nur die Befugnisse des Staats-
oberhauptes im Sinne von $ 485 RStPO. ausübe. Ein wirkliches Staats-
oberhaupt gibt es mithin nach dem Gesetze überhaupt nicht.“ Dem läßt
sich nicht zustimmen. In jedem Staate muß es eine Spitze der Exekutive
geben. Die Bestimmung, daß das Gesamtministerium die Befugnisse des
Staatsoberhauptes ausübte, läßt sich sehr wohl in Einklang bringen mit
der Ansicht, daß es das Staatsoberhaupt war.