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beruft sich darauf, daß die extremen Konsequenzen, die er zieht,
wie von der anderen Seite zugestanden werde, geboten seien.
Hören wir SCHELCHER !?5; „Nach Art. 27 Abs. 2 der säch-
sischen Verfassung kann der Landtag unmittelbar den Rücktritt
jedes Ministers fordern. Demnach regiert hier das Parlament
durch sein Kabinett und sein Programm. Daraus ergibt
sich ganz von selbst eine Abhängigkeit der Regierung von dem
Parlamente, die notwendigerweise ihren Einfluß auch in der ge-
samten Staatsverwaltung äußern und zur Beherrschung der Exe-
kutive durch die Legislative führen muß.“ „Der Staatspräsident
oder Ministerpräsident in den deutschen Einzelstaaten ist lediglich
das ausführende Organ des Landtags, simple commis du parla-
ment, wie DUGUIT den französischen Präsidenten bezeichnet hat.
Auch die ihm zustehende Bestimmung der Richtlinien ist ohne
jede praktische Bedeutung. Denn diese Richtlinien werden ihm
von der Parlamentsmehrheit, deren Geschöpf er ist, bindend vor-
gezeichnet.“
Eine solche Kritik mag durch die Taktik des politischen
Kampfes nahegelegt sein, aber sie ist zweischneidig.
Es geht nicht an, mit R. SCHMIDT von einer Gewaltenkon-
zentration zu sprechen und anzunehmen, daß die Regierung ver-
pflichtet sei, allen Forderungen des Landtags gegenüber kampflos
die Waffen zu strecken. Der Regierung ist immerhin durch die
Verfassung so viel Selbständigkeit eingeräumt, daß es ihr recht-
lich möglich ist, den Kampf mit dem Landtag zu wagen. Handelt
es sich um wichtige Fragen, so ist die Regierung auch politisch
verpflichtet, ihn aufzunehmen oder wenigstens den Ausweg eines
Kompromisses zu erstreben; daß die Regierung sich in allen
Fällen füge, ist weder rechtlich geboten, noch politisch angezeigt.
Den Entwurf der Verfassung konnte man ablehnen mit der
Begründung, es sei zu wenig, was er der Regierung an Selb-
135 Archiv des öffentl. Rechts Bd. 41 S. 313, S. 339 f. Zu vgl. auch
FiScHers Zeitschrift für Verwaltung Bd. 49 S. 348, S. 382 f.