Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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VID. Zivilsenat übertragen. Die beteiligten Zentralbehörden, der RMI, 
und das Staatsministerium, Abteilung für Volksbildung, in Braun- 
schweig haben sich schriftlich geäußert, ihre Erklärungen sind zur 
Kenntnis der Gegenpartei gebracht. Eine mündliche Verhandlung ist 
von keiner Seite beantragt worden. 
Dem Antrag des RMI. ist zu entsprechen. 
l. Wenn ein Landesgesetz mit einem Reichsgesetz nicht vereinbar 
sein soll, so muß das Landesgesetz als solches gültig sein. Ein 
von vornherein ungültiges Landesgesetz kann keine Wirkungen 
äußern, auch nicht die Wirkung eines Widerspruchs gegen das 
Reichsgesetz. Die — vom Reichsgericht in dem gegenwärtigen 
Verfahren übrigens auch nicht nachzuprüfende — landesrechtliche 
Gültigkeit der beanstandeten Sätze des braunschweigischen Gesetzes 
vom 20. Juni 1919 muß hier deshalb unterstellt werden. 
2. Ein Landesgesetz ist mit einem Reichsgesetz nicht vereinbar im 
Sinne von Art. 13 Abs. 2 RV. jedenfalls dann, wenn es durch das 
Reichsgesetz „gebrochen“ ist im Sinne von Art. 13 Abs. 1 RV., 
d. h. wenn es durch das Reichsgesetz beseitigt ist. 
3. Das Reichsgesetz, auf welches der RMI. sich gegenüber den bean- 
standeten Sätzen des braunschweigischen Landesrechts beruft, ist 
der Art. 137 Abs. 3 RV. Diese Vorschrift lautet in ihrem hier 
allein in Frage kommenden Satz 1: 
Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegen- 
heiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden 
Gesetzes. 
Der Satz steht in dem zweiten Hauptteil der RV., welcher die Ueber- 
schrift trägt: Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen. Darin 
sind enthalten allgemeine Grundsätze ohne jede rechtliche Wirkung, 
ferner Rechtsgrundsätze, welche durch die Reichs- oder die Landes- 
gesetzgebung erst noch auszugestalten sind, aber auch Rechtssätze, 
welche unmittelbar und sofort anzuwenden sind. Zu diesen Rechts- 
sätzen gehört mindestens in gewisser Beziehung Art. 137 Abs. 3 
Satz 1 a. a. OÖ. Indem diese Vorschrift den Religionsgesellschaften 
das Recht verleiht, ihre Angelegenheiten selbständig zu ordnen und 
zu verwalten, nimmt sie dem Staat zwar nicht die aus der Kirchen- 
hoheit fließenden Aufsichtsrechte, verbietet ihm aber jeden Eingriff in 
die eigentliche Kirchenverwaltung. Die Durchführung dieses Verbots 
bedarf keiner weiteren Regelung, das Verbot fällt deshalb nicht unter 
die Bestimmung des Art. 137 Abs. 8 RV., ist vielmehr unmittelbar
	        
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