Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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notwendig, die Kirchengemeinde- und Synodalordnung von 1873 staats- 
gesetzlich zu bestätigen durch ein Gesetz vom 25. Mai 1874. Dieses 
Gesetz erging vor der Aufhebung des genannten Artikel 15, welche 
durch verfassungänderndes Gesetz vom 18. Juni 1875 erfolgte. Weiter 
aber erging dann das grundlegende Gesetz vom 3. Juni 1876, das die 
Neuordnung der evangelischen Kirche im Anschluß an die General- 
synodalordnung betrifft, außerdem aber noch ein Staatsgesetz vom 
28. Mai 1894, welches bestimmt, daß gewisse Abänderungen der kirch- 
lichen Verfassungsgesetze nur durch staatsgesetzliche Bestätigung 
wirksam werden können. Alles dies zeigt deutlich, daß die Tragweite 
jenes Artikel 15 nicht allzugroß gewesen war und seine spätere Auf- 
hebung ist in dieser Beziehung ohne große Bedeutung deswegen, weil 
die Aufhebung nur eine gegen die katholische Kirche, nicht auch die 
evangelische Kirche, gerichtete Maßnahme gewesen war. 
Wenn nun Artikel 137 der neuen Reichsverfassung denselben Satz 
noch einmal enthält, so wird man ihm in diesem Zusammenhange 
eine größere Tragweite zubilligen können deswegen, weil er zusammen- 
wirkt mit der beabsichtigten „Trennung von Staat und Kirche“. Was 
man unter diesem Schlagworte zu verstehen haben wird, muß sich 
allmählich erst herausstellen. Nur eins kann man schon mit aller 
Deutlichkeit erkennen: die Staatsgewalt denkt nicht daran, der Kirche 
völlig freie Hand zu lassen für ihre inneren Angelegenheiten. Dies 
zeigt sich sowohl an den jetzt durch das Reichsgerichtsurteil unwirksam 
gemachten Braunschweigischen Bestimmungen, wie auch an den ent- 
sprechenden Vorgängen in Preußen. 
Was in Braunschweig durch jene Sätze 5 und 6 1. e. erreicht 
werden sollte, das wurde in Preußen tatsächlich erreicht auf einem 
etwas anderem Wege. Wie bekannt hatte zunächst die Notverfassung, 
dann die endgültige Verfassung das Kirchenregiment übertragen auf 
jene drei Minister, welche an die Stelle des Summus Episcopus traten, 
welche aber als Kirchenregierung angesehen wurden, und nicht als 
Staatsregierung. An sich war diese Regelung unrichtig, denn der 
Staat bestellte hier Organe für ein Kirchenregiment, das ihm über- 
haupt nicht zustand; gegen das Staatsgesetz war aber kein Mittel 
gegeben und so traten die Minister zunächst in Funktion. Damit war 
aber de facto, wenn auch vielleicht nicht de jure, dem Staate ein 
weitgehendes Mitbestimmungsrecht für die innere Kirchenverwaltung 
eingeräumt. Dies zeigte sich sofort bei eben der Frage, welche auch 
dem Reichsgerichtsurteil zugrunde liegt, nämlich der Frage des Wahl- 
Archiv des öffentlichen Rechte. XLL. 3. 23
	        
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