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liche Handlung vorzunehmen, sie können nicht einmal über die Staats-
leistungen quittieren — es sei denn, daß sie durch ein neues Staats-
gesetz legitimiert werden. Damit aber hat die Staatsgewalt die ganze
künftige Kirchenverfassung von Preußen in der Hand.
Wer in die Dinge etwas hineinsah, mußte diese Lage sofort durch-
schauen; in der Kirche aber wurde sie nicht durchschaut und sogar
eine dringende Warnung wurde damit beantwortet, daß die geäußerte
Auffassung unrichtig sei — bis es jetzt zu spät ist. Und doch hätte
man nur sich klar machen müssen, daß heute noch in Kraft ist jener
Artikel 19 des Staatsgesetzes vom 3. Juni 1876, welcher folgender-
maßen lautet:
„Die Vertretung der evangelischen Landeskirche in ihren ver-
mögensrechtlichen Angelegenheiten erfolgt durch den Evangelischen
Oberkirchenrat unter Mitwirkung des Generalsynodalvorstandes.*
Solange dies Staatsgesetz nicht geändert wird, schwebt jede neue
Preußische Kirchenverfassung in der Luft — Öberkirchenrat und
Generalsynodalvorstand sind unabsetzbar. Dieser Zustand ist aber
unhaltbar deswegen, weil der Öberkirchenrat gar kein Fundament
mehr hat. Er war Organ des Summus Episcopus, den es nicht mehr
gibt; Organ der „Kirche“ oder gar des Kirchenvolkes ist er nie ge-
wesen. Das Organ der „Kirche* (gegenüber dem Kirchenregiment)
ist der eneralsynodalvorstand, aber dieser setzt zunächst die General-
synode voraus, daher ist auch diese einstweilen nicht zu entbehren.
Alles dies wurde auch offen ausgesprochen bei Erlaß des Kirchen-
gesetzes, durch welches das Kirchenregiment von den drei Ministern
überging auf den Landeskirchenausschuß. Dieser besteht eben aus
dem Öberkirchenrat und dem Generalsynodalvorstand und diese sind
zur vermögensrechtlichen Vertretung der Kirche legitimiert, auch
wenn sie zusammen die Bezeichnung „Landeskirchenausschuß“ beige-
legt bekommen. Es ist aber bezeichnend, daß in dem diesbezüglichen
— staatsgesetzlich bestätigten — Kirchengesetze vom 19. Juni 1920
(KGVBl. S. 131) nur vom Kirchenregiment, nicht von der vermögens-
rechtlichen Vertretung die Rede ist. Wenn also die Kirche nunmehr
neue Organe sich bestellt, dann bleibt dem Landtage vorbehalten zu
entscheiden, ob sie zur vermögensrechtlichen Vertretung legitimiert
werden sollen oder nicht — damit entscheidet der Landtag aber über
die neue Kirchenverfassung.
Daß die Staatsregierung alles das genau übersehen hat kann mit
aller Bestimmtheit behauptet werden. Unklar ist es aber, warum der