Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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Es kam zunächst die Antwort vom Minister für Wissenschaft, 
Kunst und Volksbildung, daß wegen grundsätzlicher Bedeutung der 
Frage eine Beratung im Plenum des Staatsministeriums stattfinden 
müsse. Dann kam eine Mitteilung aus dem Bureau des Staatsministeriums, 
daß die Anfrage dem genannten Minister zur alleinigen Beantwortung 
zurückgegeben sei. Dann endlich wurde mir inoffiziell mitgeteilt, daß 
das Ministerium keine rechte Antwort zustande bekomme und sich 
auch nicht festlegen möchte :. 
Praktisch bedeutet das alles, daß die Staatsregierung gern die 
Fäden in der Hand halten möchte und die endgültige Preußische 
Kirchenverfassung im Landtage gemacht sehen will. Das ist bei dem 
Verhandeln des Oberkirchenrats mit dem Ministerium berausgekommen. 
Nun hat sich aber die Lage noch weiter kompliziert durch die Auf- 
nahme des Bekenntnisparagraphen in die neue Kirchenverfassung, 
wodurch sich die Aussichten im Landtage sehr erheblich verschoben 
haben. So müssen wir mit einem heftigen Kampfe um die neue Ver- 
fassung rechnen, und da ist nunmehr das vorliegende Reichsgerichts- 
urteil von größter Bedeutung. 
Was soll werden, wenn im Landtage keine Bestätigung der neuen 
Verfassung herauskommt? Soll dann der Oberkirchenrat auf ewige 
Zeiten an der Spitze der Kirche stehen, als eine bureaukratische Be- 
hörde, die von Niemandem mehr ressortiert, die aber auch von Nie- 
mandem zur Verantwortung gezogen werden kann? Da dies dem 
Willen der evangelischen „Kirche“ nicht entspricht, muß eben dem 
Artikel 137 der Reichsverfassung zur Geltung verholfen werden. Wenn 
allerdings kein Gesetz in Preußen zustande kommt, dann versagt 
auch das Mittel der Klage beim Reichsgericht, insofern bildet das 
vorliegende Urteil kein Vorbild. Sehr wesentlich ist es aber, daß 
dieses Urteil ergangen ist auf den Antrag des Reichsministers des 
Innern, denn wir sehen daraus, daß die Reichsregierung gesonnen ist, 
dem Artikel 137 der Reichsverfassung Geltung zu verschaffen. Mit 
diesem Willen aber wird sie auch in Preußen Mittel zu finden wissen, 
um der Kirche zu helfen, wenn sich ein Konflikt mit dem Staate er- 
geben sollte. In diesem Sinne ist das Urteil von großer Bedeutung 
nicht nur für Braunschweig sondern auch für Preußen. 
3 Genaueres über die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen 
Rechtes findet sich in BRept: Neues Evangelisches Kirchenrecht für 
Preußen (Berlin 1922), Band II, Kapitel 6.
	        
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