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körperschaft, die entweder mit umfangreicher und souveräner Herrscher-
gewalt ausgestattet ist oder einer solchen souveränen Staatsperson doch
im Gesamteindruck gleichförmig ist, d. h. eine ihr entsprechende Fülle von
Herrschergewalt und Verfassungsautonomie besitzt. Mit Recht ist das
Moment der Souveränität nicht völlig ausgeschaltet, weil es den objektiven
Maßstab dafür abgibt, was außer der souveränen Staatsperson von den ge-
setzlichen Gebietskörperschaften noch als Staat anzusprechen ist. Daß der
Ausdruck „Gesamteindruck* unscharf, „gerändert“ ist, also Raum für sub-
jektive Auffassungen läßt, gesteht auch W. zu, bemerkt dazu aber durch-
aus zutreffend, daß wir solcher Gerändertheit auch bei zahlreichen anderen
Rechtsbegriffen begegnen. Von großer Bedeutung ist schließlich noch die
richtige Feststellung, daß der Gesetzgeber es natürlich in allen Fällen in
der Hand hat, durch positive, allerdings nur für sein Gesetzessystem maß-
gebende Regelung Gesamtpersonen, die ihrem Wesen nach nicht zum all-
gemeinen Staatsbegriff gehören, als Staaten zu bezeichnen bzw. umgekehrt
Staatspersonen im allgemeinen Sinne diese Eigenschaft vorzuenthalten.
Somit kann der allgemeine Staatsbegriff durch das konkrete
positive Recht zu einem besonderen Staatsbegriff erweitert oder
verengert werden. Auf die sich anschließende kritische Stellungnahme W.’
zu den bisher über den Staatsbegriff aufgestellten Theorien soll hier aus
räumlichen Gründen nicht näher eingegangen werden, doch sei wenigstens
dies vermerkt, daß die Ausführungen namentlich eine wertvolle Aufklärung
über den viel mißbrauchten Begriff der „ursprünglichen Herrschaft“ bei-
bringen.
Besonders interessant ist auch die praktische Erprobung von W.
Staatsdefinition an einigen, gerade im deutschen Recht aktuellen Grenz-
fällen, wie sie Elsaß-Lothringen und die deutschen „Länder“ darbieten.
Einfach und wohl unbestreitbar ist die Rechtslage in Elsaß-Loth-
ringen gewesen. Die Landesverfassung des Jahres 1911 räumte dem
Reichsland selbständige Herrschaftsbefugnisse ein und brachte es der Grenze
von Nichtstaat und Staat nahe. Doch fehlte die Verfassungsautonomie
(weil nur das Reich die els.-Jothr. Verfassung abzuändern berechtigt war)
und damit der Staatscharakter. Elsaß-Lothringen war ein klassischer
„Grenzfall-Nichtstaat*.
Schwieriger liegen, während die Gliedstaaten des Kaiserreichs noch
typische Beispiele des nichtsouveränen Staates bildeten, heute die Rechts-
verhältnisse bei den Ländern der Reichsrepublik. Hier erhebt sich
zunächst die Frage nach der Kontinuität zwischen den staatsrechtlichen
Verhältnissen in Deutschland vor und nach dem Umsturz, sodann die Frage
nach dem Staatscharakter der heutigen deutschen „Länder“.
Die Frage der Kontinuität zwischen Kaiserreich und Republik so-
wie zwischen Gliedstaaten und Ländern wird von W, bejaht. Er unter-
scheidet scharf zwischen der Kontinuität des deutschen Rechtssystems und