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derjenigen der deutschen Staatspersonen. ad 1: Zu einer Vernichtung der
bisherigen Zentralinstanz des Rechts und ihrer Autorität hat die November-
revolution nicht geführt, nicht führen wollen. Die bestehende Rechts-
gemeinschaft ist nicht gesprengt worden. Nur einzelne Stücke der bis-
herigen Organisation sind herausgeschlagen, ersetzt, ergänzt worden. nn
erstrebte und erzielte keinen Neubau, sondern nur eine Umwandlung unte
Wahrung der Kontinuität. Die souveräne Instanz wurde bloß ausgewechselt
ad 2: Auch die Staatspersonen sind nicht beseitigt, sondern nur verändert,
W. wendet sich namentlich gegen das von mir im Kommentar zur Reichs-
verfassung (1. Aufl. 1919, S. 10 f.; 4. Aufl. 1921 S. 9 f.) angeführte Argument
daß die Reichsstaatsgewalt auf der Summe der Gliedstaatsgewalten beruht
habe und der Wegfall dieser Fundierung die Vernichtung der bisherigen
Reichsgewalt bedeute. Er vergleicht die Beteiligung der Unterstaaten an
der Bildung des souveränen Reichswillens durch den Bundesrat mit der
Trägerschaft der preußischen Staatsgewalt durch den König und bemerkt
dazu, daß die Existenz der Staatsperson nicht abhängig sei von einem be-
stimmten Träger der Staatsgewalt, d. h. von der Staatsform.
Letztere Bemerkung ist gewiß richtig und die ganze Deduktion trifft
auch wohl auf Einheitsstaaten zu, nicht aber m. E. auf zusammengesetzte
Staaten. Zwar besteht zwischen Kaiserreich und Reichsrepublik unleugbar
Kontinuität, d. bh. Zusammenhang im Sinne einer Staatensukzession, nicht
aber Identität, d. h. Gleichheit beider Staatspersonen, W.’ Auffassung, die
allerdings heute herrschend geworden ist, trägt der Tatsache nicht genügend
Rechnung, daß die Trägerschaft der Reichsgewalt von den „Verbündeten
Regierungen“ auf das „Reichsvolk“ übergegangen ist. Diese Umgestaltung
ist so fundamental, daß sie viel mehr bedeutet als lediglich eine Verände-
rung des Trägers der Souveränität und somit der Staatsform des Reiches,
nämlich eine Ersetzung der aus den Gliedstaaten genossenschaftlich er-
wachsenen bisherigen Reichsgewalt durch eine den Ländern rein herrschaft-
lich gegenüberstehende neue Reichsgewalte Das Reich ist nicht mehr
Bundesstaat, sondern Staatenstaat. Dies erkennt auch W. an, jedoch nur
für die erste Zeit nach dem Umsturz; dagegen sei das Reich nach Ein-
richtung des Staatenausschusses bzw. des Reichsrates wieder Bundesstaat
geworden. Letztere Folgerung muß ich unbedingt ablehnen. Staatenaus-
schuß bzw. Reichsrat stehen zur Trägerschaft der Souveränität des Reiches in
gar keiner Beziehung. Wollte man den Bundesstaatscharakter des Reiches
auf die Funktionen, die dem Reichsrat im Reichsorganimus zustehen, gründen,
so dürfte man wohl auch das Land Preußen wegen der ganz entsprechenden
Funktionen, die dem Staatsrat im preußischen Staatsorganismus zustehen, als
Bundesstaat bezeichnen. Das Reich ist auch heute nicht wieder Bundes-
staat geworden, sondern Staatenstaat geblieben. Ein anderes Ergebnis er-
scheint mir nur dann diskutabel, wenn man einen viel weiteren, den rein
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