Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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derjenigen der deutschen Staatspersonen. ad 1: Zu einer Vernichtung der 
bisherigen Zentralinstanz des Rechts und ihrer Autorität hat die November- 
revolution nicht geführt, nicht führen wollen. Die bestehende Rechts- 
gemeinschaft ist nicht gesprengt worden. Nur einzelne Stücke der bis- 
herigen Organisation sind herausgeschlagen, ersetzt, ergänzt worden. nn 
erstrebte und erzielte keinen Neubau, sondern nur eine Umwandlung unte 
Wahrung der Kontinuität. Die souveräne Instanz wurde bloß ausgewechselt 
ad 2: Auch die Staatspersonen sind nicht beseitigt, sondern nur verändert, 
W. wendet sich namentlich gegen das von mir im Kommentar zur Reichs- 
verfassung (1. Aufl. 1919, S. 10 f.; 4. Aufl. 1921 S. 9 f.) angeführte Argument 
daß die Reichsstaatsgewalt auf der Summe der Gliedstaatsgewalten beruht 
habe und der Wegfall dieser Fundierung die Vernichtung der bisherigen 
Reichsgewalt bedeute. Er vergleicht die Beteiligung der Unterstaaten an 
der Bildung des souveränen Reichswillens durch den Bundesrat mit der 
Trägerschaft der preußischen Staatsgewalt durch den König und bemerkt 
dazu, daß die Existenz der Staatsperson nicht abhängig sei von einem be- 
stimmten Träger der Staatsgewalt, d. h. von der Staatsform. 
Letztere Bemerkung ist gewiß richtig und die ganze Deduktion trifft 
auch wohl auf Einheitsstaaten zu, nicht aber m. E. auf zusammengesetzte 
Staaten. Zwar besteht zwischen Kaiserreich und Reichsrepublik unleugbar 
Kontinuität, d. bh. Zusammenhang im Sinne einer Staatensukzession, nicht 
aber Identität, d. h. Gleichheit beider Staatspersonen, W.’ Auffassung, die 
allerdings heute herrschend geworden ist, trägt der Tatsache nicht genügend 
Rechnung, daß die Trägerschaft der Reichsgewalt von den „Verbündeten 
Regierungen“ auf das „Reichsvolk“ übergegangen ist. Diese Umgestaltung 
ist so fundamental, daß sie viel mehr bedeutet als lediglich eine Verände- 
rung des Trägers der Souveränität und somit der Staatsform des Reiches, 
nämlich eine Ersetzung der aus den Gliedstaaten genossenschaftlich er- 
wachsenen bisherigen Reichsgewalt durch eine den Ländern rein herrschaft- 
lich gegenüberstehende neue Reichsgewalte Das Reich ist nicht mehr 
Bundesstaat, sondern Staatenstaat. Dies erkennt auch W. an, jedoch nur 
für die erste Zeit nach dem Umsturz; dagegen sei das Reich nach Ein- 
richtung des Staatenausschusses bzw. des Reichsrates wieder Bundesstaat 
geworden. Letztere Folgerung muß ich unbedingt ablehnen. Staatenaus- 
schuß bzw. Reichsrat stehen zur Trägerschaft der Souveränität des Reiches in 
gar keiner Beziehung. Wollte man den Bundesstaatscharakter des Reiches 
auf die Funktionen, die dem Reichsrat im Reichsorganimus zustehen, gründen, 
so dürfte man wohl auch das Land Preußen wegen der ganz entsprechenden 
Funktionen, die dem Staatsrat im preußischen Staatsorganismus zustehen, als 
Bundesstaat bezeichnen. Das Reich ist auch heute nicht wieder Bundes- 
staat geworden, sondern Staatenstaat geblieben. Ein anderes Ergebnis er- 
scheint mir nur dann diskutabel, wenn man einen viel weiteren, den rein 
24. *
	        
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