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den an ihnen beteiligten Staaten als Ganzheiten ausgehen, nicht die staat-
lich qualifizierten Vorgänge hinter die einheitliche Gesamtheit „Staat“ ver-
schwinden lassen, müssen vielmehr den Staat in einzelnen Figuren, wie sie
gerade zum Begriffe des Völkerrechts erforderlich sind, zerreißen“ (Warum ?).
Gewöhnlich wird ein solcher Staatsvertrag vom Staatshaupt abgeschlossen
bzw. ratifiziert, sodann im Gesetzblatt publiziert. Mit dem Inkrafttreten
der publizierten Normen ist Recht entstanden, Seine Geltung beruht auf
dem Willen des publizierenden Staates, nicht auf einem überstaatlichen
Willen; ein solcher wäre mit der Souveränität unvereinbar. Der Unter-
schied vom Gesetz liegt in der Schaffung dieser Normen durch ein Zu-
sammenwirken mehrerer gleichgeordneter, verschiedenen Gesetzessystemen
angehöriger Staatspersonen. Es fehlt eine einheitliche, übergeordnete
völkerrechtsetzende Instanz; vielmehr kann jeder einzelne Staat eine solche
mitbilden, Folglich fehlt auch ein einheitliches, übergeordnetes, dem Gesetzes-
system entsprechendes Völkerrechtssystem; vielmehr besteht „das Völker-
recht“ aus einer Vielheit von Völkerrechtskreisen. Für jeden Staat gibt
es Völkerrechtsnormen, an deren Bildung er mitgewirkt, und solche, an
denen er nicht mitgewirkt hat; erstere stellen sein Völkerrecht dar
und dieses sein Völkerrecht bildet mit seinem sonstigen staatlichen, d. h.
Gesetzes-Recht eine durch die Figur seiner Staatsperson verbundene Einheit.
Der Inhalt eines rechtsetzenden völkerrechtlichen Vertragsinstruments
unterscheidet sich nicht grundsätzlich von dem eines Gesetzesinstruments,
Beide enthalten Urteils- und Handlungsnormen. Doch ist der Wille der
Imperativsetzung beim Völkerrecht insofern eingeschränkt, als — wie der
Inhalt der Ratifikationserklärung und die Bedeutung der innerstaatlichen
Publikation erkennen lassen — die Imperative niemals an Privat-
personen, sondern nur an Staatspersonen, und zwar durch deren
Medium nicht an das Gros der Staatsorgane, sondern nur an oberste
Staatsorgane gerichtet werden. Welches diese obersten Staatsorgane
sind, bestimmt die Staatsverfassung. Für die übrigen Staatsorgane und
für die Privatpersonen werden jene Imperative erst durch das Mittel der
innerstaatlichen Publikation verbindlich. Ein scheinbar unmittelbar an
Behörden und Private gerichteter völkerrechtlicher Imperativ beschränkt
sich inhaltlich darauf, daß die Staatsperson verpflichtet ist, den Vertrags-
inhalt als verbindliche Norm für ihre Behörden und Privaten zu erklären
und zu erhalten. Völkerrechtlich ist die Form, in welcher die Staatsperson
dies tut, unerheblich; sie bildet den Gegenstand staatsrechtlicher Regelung.
Das Staatsrecht bestimmt, ob die Erfüllung durch Gesetzgebung, Rechts-
verordnung, Verwaltungsbefehl oder sonstigen Vollzugsakt zu erfolgen und
welche Staatsorgane dabei mitzuwirken haben. Nach der neuen Reichs-
verfassung kommen bei der legislativen Erfüllung alle heute bei der Reichs-
gesetzgebung beteiligten Faktoren in Frage. Neben den Imperativnormen
enthält das Völkerrecht aber auch Urteilsnormen. Kraft ihrer wird erst