Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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rechtliche Abteilung. Von dem Völkerrecht des einzelnen Staates und 
seinem (esetzessystem hat die wissenschaftliche Betrachtung auszugehen. 
Von diesem festen Boden aus gelangt sie zur Rechtsvergleichung der ver- 
schiedenen Völkerrechte und Völkerrechtskreise, deren Ergebnis schließlich 
die Feststellung der Grundsätze des Welt-Völkerrechts bildet. Die Be- 
zeichnung „Völkerrecht“ ist freilich recht ungeschickt (besser: Staaten- 
recht, zwischenstaatliches Recht), aber herkömmlich und darum un- 
vermeidlich. 
Damit ist die Frage der Positivität des Völkerrechts 
gelöst. Daß seine Normen Verbindlichkeit besitzen, steht auch bei den 
sog. Leugnern des Völkerrechts außer Streit. Doch gehen die Meinungen 
über den Grund der Verbindlichkeit weit auseinander. Zu den verschiedenen 
darüber vertretenen Theorien nimmt W. nunmehr eingehend Stellung. Er 
unterscheidet die aprioristische Methode, die mit fertigen, vorgefaßten 
Begriffen arbeitet und das Völkerrecht als überstaatliches, jedenfalls dem 
einseitigen Willen des Staates entrücktes Recht konstruiert, und die em- 
pirische Methode, die von den wirklich seienden Dingen ausgeht, also 
nicht vom Willen des Staates, der selbst Produkt des Gesetzes ist, sondern 
vom Gesetzesbegriff und seiner Autorität; bei dieser Methode steht die 
Frage des Verhältnisses von Völkerrechtsquelle und Gesetzesquelle im 
Mittelpunkt des Problems der Positivität des Völkerrechts. Die Verkennung 
dieser Problemstellung hat zu der Verworrenheit in der Literatur geführt, 
wobei man in der Regel Bekenner und Leugner unterscheidet. Diese Unter- 
scheidung ist jedoch viel zu oberflächlich. W. unterscheidet namentlich 
die naturrechtliche Theorie, die dualistische Theorie, die Theorie der ver- 
schämten Leugner, die Theorie der gemeinsamen Normsetzung u. a, Alle 
die Theorien verkennen nach seiner Ansicht, daß Inhalt und Wesen jeder 
rechtlichen Autorität nicht für das Völkerrecht gesondert, sondern nur für 
das ganze Rechtssystem einheitlich bestimmt werden können. Was die 
vielerörterten Fragen nach Gesetzgeber, Richter und Exekutor im Völker- 
recht betrifft, so ist die erstere gegenstandslos, weil es keine zentrale rechts- 
bildende Instanz gibt, und berühren die beiden anderen keine dem Völker- 
recht spezifischen Fragen, sondern Teilfragen aus dem allgemeinen Problem 
des Rechtszwanges, das in einer späteren Abhandlung erörtert werden soll, 
An diese kritische Uebersicht über die allgemeinen Völkerrechtstheorien 
schließt sich ein Exkurs über die besonderen Auffassungen von TRIEPEL, 
vV. VERDROSS, SoMLO sowie des Verfassungsgesetzgebers der Weimarer 
Reichsverfassung (Art. 4). TRIEPELS dualistische, daher von W. abgelehnte 
Theorie stellt den scharfsinnigsten Versuch dar, jene Vorstellung in den 
Tatsachen des Völkerrechts begründet zu finden. Sie gipfelt in folgenden 
Thesen: Völkerrecht und Landesrecht normieren verschiedene Lebensver- 
hältnisse. Das Landesrecht entspringt einem nur einem Staate angehörigen 
Rechtswillen, Völkerrecht dagegen dem Gemeinwillen mehrerer Staaten.
	        
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