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3. von der beteiligten Bevölkerung (Volksinitiative). Diese
dient der unmittelbaren Ausübung des Selbstbestimmungsrechts.
Sie hat, wenn die in der Reichsverfassung an sie gestellten
besonderen Anforderungen erfüllt sind, die Wirkung, daß ein
einfaches Reichsgesetz genügt und daß die Reichsregierung
dieses Gesetz dem Reichstag vorlegen muß. Allerdings knüpft
‘der Wortlaut von Art. 18 Abs. 3 die Folge, daß ein einfaches
Reichsgesetz genügt, noch an die weitere Voraussetzung, daß
„ein überwiegendes Reichsinteresse die Gebietsänderung oder Neu-
bildung erheischt“. Hierbei handelt es sich aber sachlich um eine
Voraussetzung nicht für die einfache Form des Gesetzes, sondern
für seinen Erlaß überhaupt. Reichsinteresse ist das Interesse
der Allgemeinheit des deutschen Volkes. Ein überwiegendes
Reichsinteresse besteht dann, wenn bei Abwägung der auf die
Berücksichtigung des allgemeinen Interesses abzielenden ein-
zelnen Gründe die Gründe für gegenüber denjenigen gegen und
damit auch gegenüber dem Widerspruch eines beteiligten Landes
überwiegen. Der Ausspruch des Erfordernisses eines überwiegen-
den Reichsinteresses ist also nichts weiter als eine Wiederholung
des Leitgedankens, daß die Gliederung des Reichs in Länder
der wirtschaftlichen und kulturellen Höchstleistung des Volkes
dienen soll; es wird noch besonders hervorgehoben, daß dieser
Grundsatz auch für den Fall der Volksinitiative gilt und das
Selbstbestimmungsrecht in ihm eine unübersteigbare Schranke
findet. Ob ein überwiegendes Reichsinteresse in diesem Sinne
vorliegt, entscheidet allein der Gesetzgeher. Bejaht er die Frage,
so stimmt er mit einfacher Mehrheit dem Gesetz als einfachem
Reichsgesetz zu; verneint er sie, so lehnt er das Gesetz ab.
Der dritte Fall, daß zunächst das Vorliegen eines überwiegenden
Reichsinteresses verneint, demnächst aber gleichwohl dem Gesetz
als verfassungsänderndem mit qualifizierter Mehrheit zugestimmt
wird, ist im Sinn der Reichsverfassung nicht denkbar. Auf die
unhaltbaren Ergebnisse, zu denen die gegenteilige Ahsicht führt,
hat A. S. 194 zutreffend hingewiesen.