Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 42 (42)

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3. von der beteiligten Bevölkerung (Volksinitiative). Diese 
dient der unmittelbaren Ausübung des Selbstbestimmungsrechts. 
Sie hat, wenn die in der Reichsverfassung an sie gestellten 
besonderen Anforderungen erfüllt sind, die Wirkung, daß ein 
einfaches Reichsgesetz genügt und daß die Reichsregierung 
dieses Gesetz dem Reichstag vorlegen muß. Allerdings knüpft 
‘der Wortlaut von Art. 18 Abs. 3 die Folge, daß ein einfaches 
Reichsgesetz genügt, noch an die weitere Voraussetzung, daß 
„ein überwiegendes Reichsinteresse die Gebietsänderung oder Neu- 
bildung erheischt“. Hierbei handelt es sich aber sachlich um eine 
Voraussetzung nicht für die einfache Form des Gesetzes, sondern 
für seinen Erlaß überhaupt. Reichsinteresse ist das Interesse 
der Allgemeinheit des deutschen Volkes. Ein überwiegendes 
Reichsinteresse besteht dann, wenn bei Abwägung der auf die 
Berücksichtigung des allgemeinen Interesses abzielenden ein- 
zelnen Gründe die Gründe für gegenüber denjenigen gegen und 
damit auch gegenüber dem Widerspruch eines beteiligten Landes 
überwiegen. Der Ausspruch des Erfordernisses eines überwiegen- 
den Reichsinteresses ist also nichts weiter als eine Wiederholung 
des Leitgedankens, daß die Gliederung des Reichs in Länder 
der wirtschaftlichen und kulturellen Höchstleistung des Volkes 
dienen soll; es wird noch besonders hervorgehoben, daß dieser 
Grundsatz auch für den Fall der Volksinitiative gilt und das 
Selbstbestimmungsrecht in ihm eine unübersteigbare Schranke 
findet. Ob ein überwiegendes Reichsinteresse in diesem Sinne 
vorliegt, entscheidet allein der Gesetzgeher. Bejaht er die Frage, 
so stimmt er mit einfacher Mehrheit dem Gesetz als einfachem 
Reichsgesetz zu; verneint er sie, so lehnt er das Gesetz ab. 
Der dritte Fall, daß zunächst das Vorliegen eines überwiegenden 
Reichsinteresses verneint, demnächst aber gleichwohl dem Gesetz 
als verfassungsänderndem mit qualifizierter Mehrheit zugestimmt 
wird, ist im Sinn der Reichsverfassung nicht denkbar. Auf die 
unhaltbaren Ergebnisse, zu denen die gegenteilige Ahsicht führt, 
hat A. S. 194 zutreffend hingewiesen.
	        
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