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Am 22. Dezember 1919 war das erste Jahr nach der Wahl vom
22. Dezember 1918 abgelaufen. In der letzten Sitzung vor diesem Zeit-
punkt — am 12. Dezember 1919 — erklärte der die Verhandlung
leitende Vizepräsident, daß er die Festsetzung des Termins der nächsten,
nachden Weihnachtsferien abzuhaltenden Sitzung dem
Präsidenten vorbehalte. Nach dem Sitzungsprotokoll Nr. 88 und 89 S. 260
ist diese Erklärung im Einvernehmen mit der Versammlung
abgegeben worden. Aus dem ausführlichen Sitzungsbericht S. 4150 ist
nicht zu ersehen, in welcher Weise die Versammlung ihr Einverständnis
mit der Erklärung des Vizepräsidenten bekundet hat.
In der Sitzung vom 20. Januar 1920 stellte der unabhängige Ab-
geordnete Oerter — jetzt Präsident der Landesregierung — folgenden
Antrag:
‚Die am 20. Januar 1920 im Landtagsgebäude zusammengetretenen
Landtagsabgeordneten erkennen an, daß auf Grund des $ 5 des Gesetzes
über die Wahlen zu den Gemeindevertretungen und zur Landesvertretung
ihre Mandate mit dem 22. Dezember 1919 abgelaufen sind. Sie können
daher nicht in die geschäftliche Behandlung der Tagesordnung der
Landesversammlung eintreten.
Sıe fordern die Landesregierung auf, sofort Neuwahlen zur Landes-
versammlung auszuschreiben.“
Dieser Antrag wurde mit 39 gegen 11 Stimmen abgelehnt.
In derselben Sitzung beantragte der Abgeordnete Hampe:
„Mit Rücksicht auf den von einer Minderheit der Landesvertretung
gehegten Zweifel an dessen fortdauerndem Rechtsbestand und mit Rück-
sicht auf diesen, von einem Teil der Bevölkerung geteilten Standpunkt
beschließt die Landesversammlung:
1. den Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich über die strittige Frage
anzurufen,
2. bis zu dessen Entscheidung die Landesversammlung als zu Recht be-
stehend anzusehen,
3. für den Fall, daß der Staatsgerichtshof die Rechtsbeständigkeit des
jetzigen Landtags verneinen sollte, Indemnität für die inzwischen zu
fassenden Beschlüsse des jetzigen Landtags bei dem künftigen Land-
tag nachzusuchen,“
Dieser Antrag wurde dem Rechtsausschuß überwiesen, der zu dem Er-
gebnis kam, der erste Teil des Antrags, der sich auf de Anrufung
des Staatsgerichtshofs bezog, sei abzulehnen; dagegen sei der
zweite Teil, der die Rechtsbeständigkeit der Versamm-
lung betraf, zur Annahme zu empfehlen.
In der Sitzung vom 6. Februar 1920 hat hierauf die erste ‚Landes-
versammlung den Antrag ihres Rechtsausschusses mit einem Zusatzantrag
des Abgeordneten Schelz angenommen. Sie hat beschlossen: