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Von höchstem Interesse ist ferner die Methode Bismarckscher Staats-
kunst. Wenn je auf politischem Gebiet eine Genialität hervorgetreten ist,
so ist es Bismarck gewesen. Und man begreift seinen Zorn, ja seine Ver-
achtung gegegüber den kannegießernden Dilettanten, die wagten. sich auf
Gebieten zu betätigen, auf denen ihnen auch die allerersten Vorkenntnisse
fehlten. Beachtenswert ist in dieser Hinsicht auch das Verhältnis des
Kanzlers zu den Botschaftern: es war, wie es sein mußte: ein Willen be-
herrschte entschlossen und konsequent die Außenpolitik, und war dieser Wille
sehr zum Heile Deutschlands der eines Genies, das sich namentlich in der
Beschränkung und in der Besonnenheit als Meister bewährte.
Die Aktenveröffentlichung des Auswärtigen Amtes dient in erster Linie
der Authellung der geschichtlichen Wahrheit. Darüber hinaus haben sie
politische Bedeutung, und sie müssen nach dieser Richtung ausgewertet
werden. Das Bild deutscher Politik, so lang getrübt durch die politische
Lüge unserer Todfeinde, wird bereinigt. Damit werden die Vorbedingungen
unserer unglücklichen Isolierung vor 1914 beseitigt. Sollten unsere deut-
schen Politiker aber auch aus den Veröffentlichungen lernen, die sie
allerdingszudiesemZweckauchwirklichdurcharbeiten
müssen, so wäre für die Zukunft Deutschlands viel gewonnen. Denn es
läßt sich aus den 6 ersten Bändeu politisch methodologisch unendlich viel
Positives lernen, wie man nach den kläglichen Erfahrungen der letzten
8 Jahre wohl nicht bezweifeln wird. Ich fürchte, auch aus den folgenden
Bänden, denen man mit größter Spannung entgegensehen kann, wird man
viel lernen können. Hier aber werden im Gegensatz zum Bismarckschen
Zeitalter die negativen Lehren überwiegen. Denn die 6 ersten Bände sind
doch, nimmt man sie als Ganzes, das hohe Lied auf die Staatskunst des
eisernen Kanzlers. Heinrich Gerland (Jena).
Fischbach, Allgemeine Staatslehre, Sammlung Göschen Nr. 358
1922, Vereinigung wissenschaftlicher Verleger, 144 S.
Die kleine Schrift entspricht einem dringenden Bedürfnis, das von allen,
die sich mit allgemeiner Staatslehre beschäftigen, wohl schon empfunden
worden ist. Denn die Allgemeine Staatslehre von REeHum, die 1907 in der
gleichen Sammlung erschien, ist bei allen ihren Verdiensten heute weit-
gehend veraltet und nimmt jedenfalls zu den Problemen, die heute im
Vordergrund stehen, keine Stellung.
Natürlich kann man über die Auswahl, die der Verfasser aus der Fülle
des Stoffes nur bieten konnte, streiten. Aber er hat jedenfalls das große
Verdienst, daß er die heute brennenden Fragen in den Mittelpunkt seiner
Darstellung rückt. Das gilt vor allem von dem 4. Abschnitt „Staat und
Wirtschaft“, in dem der Verfasser zu den modernen soziologischen Staats-
theorien und dem Problem des Ständestaates Stellung nimmt.
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