— 189 —
der Reichstag die Außerkraftsetzung der von der Landesregierung
getroffenen Maßnahmen nur verlangen, nicht aber selbst bewirken
kann. Der Reichstag hat also gegenüber den Maßnahmen der
Landesregierung nur dieselbe Stellung wie gegenüber den Maß-
nahmen des Reichspräsidenten. Selbst durch ein Reichsgesetz
kann er diese Maßnahmen nicht aufheben. Es ist undenkbar,
daß Maßnahmen von Landesorgane durch ein Reichsgesetz un-
abänderlich sind, während selbst die Verfassung des Landes
durch jedes Reichsgesetz abgeändert werden kann“®!. Aehnlich,
wie die Militärbefehlshaber im Hinblick auf die Aufnahme von
$ 4 des preußischen Belagerungzustandsgesetzes von 1851 in
Art. 68 der alten Reichsverfassung bei ihrem Tätigwerden unter
einem vom Kaiser verhängten Ausnahmezustand als Reichsorgane
aufzufassen waren, deren Anordnungen aus $$ 4 und 9b auch gegen-
über Reichsbehörden und Reichsrecht durehdrangen, sind die
Landesregierungen, sofern sie unter Art. 48 IV der
Reichsverfassung handeln, als von der Reichsverfassung
unmittelbar berufene Reichsorgane aufzufas-
sen, deren Anordnungen auch Reichsbehörden
binden und zu Reichsrechtsichin Widerspruch
setzen können. Eben weil nun Anordnungen im Rahmen
von Art. 48 IV als reichsrechtliche anzusehen sind, ist eine Heran-
ziehung von Art. 13 der Reichsverfassung, also des Satzes: Reichs-
recht bricht Landrecht, wie eine dort vorgesehene Angehung des
Reichsgerichtes zur Feststellung, ob ein solcher Widerspruch vor-
liege, ebenso untunlich, wie eine Angehung des Staatsgerichtshofs
aus Art. 19 der Reichsverfassung ”°, der ja öffentlichrechtliche
Streitigkeiten zwischen Reich und Ländern zum Gegenstand hat.
b) Ist durch Art. 48 der landesrechtliche Ausnahmezustand
für die Zukunft, genauer, mit Inkraftreten der Reichsverfassung,
als beseitigt anzusehen ? und weiter: Ist das Landesrecht gehin-
®1 GRAU, 143.
22 GRAU, 143, 144.