Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 44 (44)

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sationen der geistlichen Güter durch ein geheimes Gesetz vorzunehmen 
— was freilich im Jahre 1834 ein unerhörter Vorgang gewesen wäre! 
— so wäre das mindeste, was man erwarten und verlangen müßte, daß 
er die Kabinettsorder als eine geheimzuhaltende bezeichnet hätte. Das 
ist aber nicht geschehen. Weder ausdrücklich, noch durch Wendungen, 
die einen Rückschluß auf einen derartigen Willen gestatten. In der 
Anordnung, daß man von der Anberaumung eines Präklusivtermins 
absehen solle, ist die Forderung nach Geheimhaltung nicht ohne wei- 
teres zu finden. Höchstens dann, wenn man in der Kabinettsorder 
eine bloße Verwaltungsinstruktion erblickt; dann verstand sich freilich 
die Geheimhaltung ohnehin von selbst. War aber die Order, wie das 
Reichsgericht annimmt, bestimmt, Rechtsansprüche für die beteiligten 
Pfarreien zu erzeugen, sollte sie also nach dem Willen des Königs 
Rechtssätze entstehen lassen, so konnte aus dem Schweigen des 
Königs über die Veröffentlichung schlechterdings nicht geschlossen 
werden, daß er eine Bekanntmachung nicht wolle. 
So bleibt also nur die Tatsache bestehen, daß die Kabinettsorder 
über eine Kundgabe an irgendwelche Interessenten, sei es durch Ver- 
öffentlichung oder in anderer Form, nichts bestimmt, und daß sie 
nicht kundgegeben worden ist. Woraus die Folgerung zu ziehen ist, 
daß sie nach dem zur Zeit ihres Erlasses geltenden Rechte den Cha- 
rakter eines „Gesetzes“ nicht hat erlangen können, selbst wenn der 
König dies beabsichtigt haben sollte!?® Denn in irgendeiner 
Weise mußten königliche Erlasse, wenn anders sie zu objektivem 
Rechte werden sollten, in jener Zeit publiziert werden %. 
4. 
Die Begründung, die das Reichsgericht in seinen Urteilen für die ent- 
gegengesetzte Meinung gegeben hat, ist auffallend dürftig. Die Mehrzahl 
der späteren Entscheidungen beschränkt sich ohnehin darauf, auf die 
„ständige Rechtsprechung“ der erkennenden Senate hinzuweisen. Die 
Entscheidung A begnügt sich mit der Wiedergabe einer Stelle aus 
einem früheren, in anderer Sache ergangenen Erkenntnisse, das, wie 
gleich zu zeigen, auf den Fall nicht paßt. Die Entscheidung B sagt, 
ı%* Ebenso FÜRSTENAU, Jur. Wochenschr. 1922, S. 1580f. 
14 So auch das im übrigen sehr weitgehende, bereits oben (S. 217, Anm. 8) 
angeführte Erkenntnis des Obertribunals vom 30. Januar 1840 (Entsch. Bd. 12, 
S. 150).
	        
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