Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 44 (44)

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Indem Art. 144 der RV. ausspricht: „Das gesamte Schulwesen 
steht unter Aufsicht des Staates“ und indem Art. 149 Abs. I den 
Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach der Schulen ausdrücklich 
erklärt, also zum verfassungsmäßig notwendigen Bestandteil des Schul- 
wesens erhebt, ist völlig klar, daß der Religionsunterricht, durch wen 
auch immer er erteilt werden mag, staatlicher Schuldienst ist und 
grundsätzlich der ausschließlichen Aufsicht des Staates unterliegt. 
Nur soweit die Reichsverfassung selbst, die das angeordnet hat, davon 
Ausnahmen macht, können solche in den Ländern zu Recht bestehen. 
Die Reichsverfassung macht eine solche Ausnahme ausdrücklich hin- 
sichtlich der Gemeinden, indem Art. 144 sagt: „Er (der Staat) kann 
die Gemeinden daran (an der Schulaufsicht) beteiligen.“ Den beiden 
anderen an der Schule interessierten Kreisen, den Erziehungsberechtigten 
und den Religionsgesellschaften gibt er kein Aufsichtsrecht, sondern 
nur Antragsrechte und zwar in verschiedenen Bereichen und Formen. 
Den Erziehungsberechtigten gibt Art. 146 Abs. 2 II das Recht der 
Antragstellung für die Einrichtung von Bekenntnisschulen und sagt 
sogar, daß ihr Wille möglichst zu berücksichtigen ist. Den Religions- 
gesellschaften gibt Art. 149 Abs. I ausdrücklich kein Mitwirkungs- 
recht an der Beaufsichtigung des Religionsunterrichtes; was er ihnen 
gibt, ist in die Formel gebracht: „Der Religionsunterricht wird in 
Uebereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religions- 
gesellschaft erteilt.“ Und ausdrücklich ist beigefügt: „Unbeschadet 
des Aufsichtsrechtes des Staates.“ 
Verfassungsrechtssatz ist also, daß das Aufsichtsrecht des Staates 
auch über den Religionsunterricht nicht beschränkt werden darf. 
Verfassungsrechtssatz ist aber auch, daß der Religionsunterricht 
in Uebereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religions- 
gesellschaft zu erteilen ist. 
Il. Die Auslegung *. 
Die Bestimmung des Art. 149 trägt das Zeichen des Kompromisses 
an der Stirn. Das Reich hat eine bisher seiner Zuständigkeit fremde 
* Ueber meinen allgemeinen Standpunkt zur Frage der Beaufsichtigung 
des Religionsunterrichtes an den Volksschulen vgl. mein Buch: Das Recht 
der Volksschulaufsicht in Bayern [Beilage Heft II zum Archiv des öffent- 
lichen Rechts]. Tübingen 1911 — Seite 13 ff. —, vgl. auch meine Schrift: 
Die gegenwärtige Rechtslage des bayerischen Schulwesens, München 1920. 
in „Volk und Schule“ von A. Link und Gg. Haunschild.
	        
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