Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 44 (44)

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Schau zu tragen, führt auf Unreife zurück. Vor gewissen alten Formen 
des Patriotismus, in denen so viel Phrasentum und Unaufrichtigkeit, Un- 
zuverlässigkeit und Selbstsucht steckte, bemächtigt sich vieler Meuschen 
ein tiefer Ekel. Nach dem Zusammenbruch zeigte sich viel Verkommen- 
heit, Gleichgültigkeit, Stumpfheit. Das ans Ruder gelangende Volk war 
weder sozial noch politisch reifer als es zuvor die Besitzenden gewesen 
waren; das Volk versagte dem Staat, zum Teil unter wilden Gewalttätig- 
keiten, was der Staat zum Dasein braucht. — Jetzt heißt es, aufbauen, auf 
allen Gebieten! Waren wir politisch unreif, so heißt es nun, politisch reif 
werden. Wer über die Fragen politischer Bildung nachgedacht hat, der 
ist verpflichtet, ein paar Steinchen zum Wiederaufbau beizutragen. Politische 
Erziehung ist Erziehung zum Nachdenken über den Staat und Erziehung 
zum Handeln für den Staat. Gar manches, was patriotisch erscheint, ist 
in Wahrheit kein Handeln für den Staat. Es ist kein Patriotismus, mit 
heroischer Gebärde die Ausländer von unseren Hochschulen zu weisen, weil 
ihre Staaten gegen uns Krieg geführt haben. Rache ist ein schlechter 
politischer Wegweiser. Wer von Ausländern Deutschland und seine Wissen- 
schaft kennt, wird eine Art deutscher Vorposten. Ebensowenig ist die 
Jagd auf unübersetzbare und unentbehrliche Fremdwörter wirklicher Patrio- 
tismus. Es. ist kein echter Patriotismus, der unsere Vergangenheit klein 
oder gar verächtlich macht. Was einmal groß war, wird nicht klein, wenn 
sich die Staatsform ändert. Jeder muß zu seinem Teil dazu beitragen, 
unser Land wieder in die Höhe zu bringen und zwar durch die Ueber- 
windung alles Trennenden, Hemmenden und Kleinen, durch die Förderung 
alles dessen, was eint, verbindet und groß ist. Unser alleroberstes Ziel 
muß sein: für die Reichseinheit, gegen den Partikularismus, gegen Ab- 
lösungsbestrebungen, welcher Art sie auch sind. Der Staat, der Nutzen 
der Allgemeinheit, nicht eine Partei, ist Gegenstand unseres Denkens und 
Handelns. Fort mit den Gehässigkeiten im öffentlichen Leben! Weg mit 
der Auffassung, daß der Andersdenkende entweder an Verstand oder an 
Charakter notleide! Vom nationalen Standpunkt ists ein Jammer, wenn 
man durch Unduldsamkeit die Angehörigen eines bestimmten Bekenntnisses 
in die Gegnerschaft zum Staate geradezu hineintreibt. Jeder werde sich 
seiner Verantwortung bewußt; kaum irgendwo liegt größere Verantwortung 
als bei der Presse. Nicht zu unterschätzen sind die Fragen nationaler Höf- 
lichkeit, die Pflichten öffentlichen Anstandes. Eine crux jeder Demokratie 
bildet die Frage der Politisierung notwendig neutraler Stellen. In Politi- 
sierung am falschen Orte liegt ein pathologischer Zustand; die Gefahr ist 
die des amerikanischen Beutesystems. Nun und nimmermehr darf es eine 
politische Wissenschaft geben; wollten Parlamentsmehrheiten jemals auf 
die Besetzung von Lehrstühlen oder gar Lehrmeinungen entscheidenden 
Einfluß nehmen, so wäre das der Tod der deutschen Wissenschaft, eines 
kostbaren Nationalgutes. Die Schuljugend sollte von Parteipolitik ganz 
Archiv des öffentlichen Rechts. N. F. 5. Heft 3. 25
	        
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